24. Februar 2013

Iris Wolf, Diakonische Bezirksstelle Aalen

Als öffentliche Gläubiger begegnen uns insbesondere Kommunen (z.B. Stadtverwaltung, Landkreis), Landesbehörden (Finanzamt, Landesoberkasse), Bundesbehörden (Bundesagentur für Arbeit), Sozialversicherungsträger (Jobcenter, Krankenkassen), Rundfunkanstalten.

Vollstreckungstitel

Was manche überraschen mag, ist der Umstand, dass Behörden weder Gericht noch Gerichtsvollzieher benötigen, um Zwangsvollstreckungen durchzuführen. Grundlage der Vollstreckung ist bereits der rechtsgültige Bescheid, aufgrund dessen ein Behördenmitarbeiter tätig werden kann. Wichtig ist somit jeden Bescheid genau zu prüfen und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen. Ein Widerspruch muss binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids erfolgen.

Als Vollstreckungsbehörde treten „Vollstreckungsstelle“ (Finanzamt), „Kassen“ (Stadt-/Kreiskasse) oder das „Hauptzollamt“ auf. Ein Schriftverkehr wegen Stundung, Ratenzahlung, Erlass oder Niederschlagung sollte immer mit der Ursprungsbehörde geführt werden, jeweils mit einer Durchschrift für die Vollstreckungsbehörde.

Die Vollstreckungsbehörden dürfen selbst Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlassen, die dann Pfändungs- und Einziehungsverfügungen heißen. Es gelten die üblichen Pfändungsschutzvorschriften der ZPO. Pfändungsschutzanträge nach § 850 f ZPO müssen an der entsprechenden Vollstreckungsstelle der Behörde (nicht beim Amtsgericht) gestellt werden. Kann kein Einverständnis erzielt werden, ist das Verwaltungsgericht zuständig.

Weitere Möglichkeiten der Behörden:

Behörden können von Aufrechnung oder Verrechnung Gebrauch machen.

1. Aufrechnung

Unter Aufrechnung versteht man das Recht bei dem wechselseitige Forderungen miteinander verrechnet werden.

Beispiel: Herr M. schuldet dem Arbeitsamt aus einem Mobilitätsdarlehen einen Restbetrag. Wird er wieder arbeitslos, kann die BA ihre Forderung nach § 51 SGB I aufrechnen, allerdings nur bis zum Existenzminimum (SGB XII). § 24 SGB X sieht eine Anhörung vor.

Darlehen beim Jobcenter (§ 42a SGB II) werden mit 10% des Regelsatzes des Darlehensnehmers aufgerechnet. Wenn Leistungen zu Unrecht erbracht wurden, ist eine Aufrechnung bis zu 30% möglich (§ 43 SGB II). Die Regelsätze der Angehörigen dürfen nicht angetastet werden.

2. Verrechnung

§ 52 SGB I: Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen.

Beispiel: Frau K. schuldet der Bundesagentur für Arbeit (BA) Geld aus früheren Überzahlungen. Kommt es zum Bezug von Krankengeld so verrechnet die Krankenkasse ihre Leistung mit den Forderungen der BA, sobald die BA sie dazu ermächtigt. In diesem Fall gelten die üblichen Pfändungsgrenzen nach § 850 c ZPO nicht, das Existenzminimum muss jedoch belassen werden. Auch hier muss eine Anhörung des Betroffenen (§ 24 SGB X) vorausgehen.

Es macht somit Sinn mit einem öffentlichen Gläubiger rechtzeitig in Verhandlung oder Kontakt zu treten und eine der nachfolgenden Interventionen/Lösungen anzustreben:

Auf Vollstreckungsankündigungen reagieren: Um Aufwand zu sparen senden machen Vollstreckungsbehörden dem Schuldner eine Vollstreckungsankündigung zu, der ein Auskunftsbogen beigefügt ist. Häufig stellt die Behörde den Vorgang ein, wenn die Vermögenslosigkeit nachgewiesen wird.

Ratenzahlung beantragen

Vergleich beantragen

Stundung beantragen unter Nachweis der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit

Niederschlagung beantragen: Das ist dann sinnvoll, wenn der Vollstreckungsbeamte vorher schon einmal fruchtlos gepfändet hat. Eine Niederschlagung ist kein Verzicht. Die Forderung besteht weiter und kann jederzeit von der Behörde wieder geltend gemacht werden. Bei der Beantragung eines Insolvenzverfahrens sind niedergeschlagene Forderungen anzugeben.

Erlass beantragen: Ein Erlassantrag ist selten erfolgreich. Ausnahmen gibt es meist nur, wenn die finanzielle Situation des Schuldners keine Änderung erwarten lässt (z.B. Pflegebedürftigkeit, dauerhafter Bezug von Grundsicherung).

Gerichtskosten:

Hier geht es ausschließlich um Gerichtskosten. Wissenswertes über Geldstrafen, Geldauflagen und Geldbußen finden Sie hier.

Die Kosten der Zwangsvollstreckung finden sich üblicherweise in der Forderungsaufstellung des Gläubigers wieder.

Wurde für ein Verfahren Prozesskostenhilfe in Ratenform bewilligt, sind diese an die Geschäftsstelle des Gerichts zu bezahlen, Eine Anpassung der Rate aufgrund geänderter finanzieller Verhältnisse ist möglich. Diese Gerichtskosten unterliegen der Restschuldbefreiung, wenn diese zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens bereits angefallen sind.

Anders verhält es sich bei Gerichtskosten, die infolge eines Schadensersatzanspruchs aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung herrühren. Diese sind ein „Folgeschaden“. Meldet der Geschädigte seine Ansprüche als „deliktische Forderung“ an, so unterliegen auch die Gerichtskosten nicht der Restschuldbefreiung.

Die Kosten für das Insolvenzverfahren können auf Antrag bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden. Ergibt sich im Verfahren pfändbares Einkommen, werden diese Gerichts- und Treuhandkosten daraus vorrangig bedient. Ergibt sich während des Verfahrens kein pfändbares Einkommen, bestehen diese Gerichtskosten über die Restschuldbefreiung hinaus und es gelten die Regelungen über die Prozesskostenhilfe. Auf Antrag kann diese Stundung erneut verlängert werden und ggf. monatliche Raten festgelegt werden. Eine letzte Einkommensüberprüfung kann 48 Monate nach Erteilung der Restschuldbefreiung durchgeführt werden.

Finanzamt:

Steuerpflichtige müssen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung nachkommen. Geht die Steuererklärung nicht fristgereicht ein, kann das Finanzamt Verspätungszuschläge oder Zwangsgeld verhängen oder gar Ersatzzwangshaft anordnen. Dies gilt zu verhindern. Ist der Steuerpflichtige mit seiner Steuererklärung überfordert, hilft das Finanzamt nach § 151 AO. Allerdings sollten die Formulare zumindest mit den allgemeinen Angaben bereits ausgefüllt werden. Alle vorhandenen Belege sollten sortiert vorgelegt werden.
Steuerschulden unterliegen im Insolvenzverfahren der Restschuldbefreiung, selbst wenn eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung vorliegt. Steuererstattungsbeträge im laufenden gerichtlichen Insolvenzverfahren gehören zur Insolvenzmasse, das Finanzamt kann aber in der Wohlverhaltensperiode wieder aufrechnen. Der Steuererstattungsanspruch für das Gesamtjahr, in dem das gerichtliche Insolvenzverfahren aufgehoben wird, ist aufzuteilen entsprechend den Monaten vor und den Monaten nach InsO-Aufhebung.

Unterhaltsvorschusskasse:

Unterhaltsrückstände können auch auf die Unterhaltsvorschusskasse übergehen und von dort geltend gemacht werden. Zu beachten ist jedoch, dass dort verhandelte „Zahlungserleichterungen“ nicht gleich bedeutend sein müssen mit der Abänderung des Titels. Willigt die Unterhaltsvorschusskasse ein, vorübergehend weniger für den Unterhalt leisten zu müssen, kann ggf. ein neuer Schuldenaufbau entstehen!

Das Bundesland, auf das die Ansprüche übergegangen sind, kann nach §850 d ZPO in den Vorrechtsbereich pfänden. Gibt die UV-Kasse an, der Unterhaltspflichtige habe sich absichtlich der Unterhaltspflicht entzogen, muss der Schuldner aktiv werden und ggf. viele Jahre später sein Nichtverschulden (Umkehr der Beweislast) nachweisen. (BGH RPfleger 2005,204).

Anders im Insolvenzverfahren: Grundsätzlich unterliegen Unterhaltsschulden, die nicht auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung beruhen und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, der Restschuldbefreiung. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist darauf zu achten, dass der titulierte Unterhalt fristgerecht bezahlt wird. Neue Unterhaltsschulden unterliegen NICHT der Restschuldbefreiung.

Rundfunkgebühren:

Für Rundfunkempfangsgeräte (Radio, Fernseher, internetfähige Computer…) besteht eine Anmeldepflicht (Beitragsservice , 50656 Köln) . Pro Wohnung ist ein Beitrag von 17,98 €/Monat zu zahlen. Das heißt: Eine Person entrichtet den Rundfunkbeitrag für die gemeinsame Wohnung – unabhängig davon, wie viele Personen dort leben und wie viele Rundfunkgeräte vorhanden sind.

Der Rundfunkbeitrag deckt die privaten Autos aller Bewohner mit ab. Für eine Zweitwohnung ist ein eigener Rundfunkbeitrag zu zahlen.
Bei Bezug von Leistungen nach SGB II, SGB XII oder Bafög, oder bei einer Schwerbehinderung mit dem Merkmal RF kann die Befreiung von der Rundfunkgebühr beantragt werden. Übersteigt das Einkommen die Sätze nach SGB XII nur geringfügig, liegt lt. BVG (84/2011 vom 22.12.11) ein Härtefall vor und es besteht ebenfalls Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebühr. Menschen mit anderen Merkmalen der Schwerbehinderung müssen auf Antrag nur eine reduzierte Gebühr bezahlen. Alle Anträge müssen durch Kopien der Leistungsbescheide glaubhaft gemacht werden.

Sie erhalten die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht oder die Ermäßigung des Rundfunkbeitrags ab dem auf dem Bewilligungsbescheid/der Bescheinigung genannten Leistungsbeginn, wenn Sie den Antrag binnen zwei Monaten einreichen, nachdem der Bescheid von der Behörde erstellt wurde.

Alle Informationen, sowie die Anträge finden sich im Internet unter www.rundfunkbeitrag.de.

Downloads