7. Mai 2024

Gundula Richert und Reiner Saleth, ZSB Stuttgart

Die ZSB Stuttgart trifft sich regelmäßig mit dem Insolvenzgericht zu einem Erfahrungsaustausch. Hierbei werden gegenseitig offene Fragen der Zusammenarbeit erörtert, die auch fachlicher Natur sind. Einige Inhalte sind für alle Beratungskräfte interessant, die auch Insolvenzberatung anbieten. Nachfolgend ein Auszug aus den zuletzt erörterten Themen (April 2024):

Adressangaben von Gläubigern im Insolvenzantrag
Problemstellung
Ein Gläubiger möchte seine Adresse auch auf Nachfrage nicht mitteilen und verweist auf eine Entscheidung des BGH (V ZB 182/11 v. 14.06.2021): Ein Postfach sei als ladefähige Adresse zu sehen. Wie wird dies durch das Insolvenzgericht gesehen? Können dem Schuldner hierdurch Nachteile entstehen?
Antwort
Es ist nach aktuellem ZPO-Kommentar von Zöller sowie nach Münchner Kommentar nicht zulässig, direkt an ein Postfach zuzustellen. Im Normalfall weigert sich nicht der Gläubiger, sondern bei Erstellung des Insolvenzantrages wird – zumeist von Rechtsanwälten – nicht sauber gearbeitet. Dies führt dann zu einer Beanstandung durch das Insolvenzgericht. Postfach-Adresse ist ausnahmsweise ausreichend bei entsprechender Begründung. Normalerweise wird diese Ersatzzustellung verwandt, wenn eine Wohn-/Geschäftsanschrift unbekannt oder nicht vorhanden ist. Die Angabe einer Postfach-Adresse ist jedoch besser/einfacher als die sonst erforderliche öffentliche Zustellung, die durch Bearbeitungs- und Aushangfristen ca. 2 Monate dauert und daher als letztes Mittel anzusehen ist.
Insolvenzantrag – Angaben zur Unterhaltsverpflichtung
Problemstellung
Es gab eine Beanstandung wegen der Nichtangabe der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Ehemann, der aber über ein ausreichendes Einkommen (1.500 €) verfügt. Die Erläuterungen zu RZ 11 fängt jedoch mit den Worten an: „Wenn Sie anderen Personen Unterhalt (…) gewähren …“ und verweist dann für die näheren Angaben auf Anlage 5J. Was ist die richtige Vorgehensweise? Sollte die Person in Anlage 5J nicht aufgeführt werden?
Antwort
Es ist zu unterscheiden zwischen dem grundsätzlichen Unterhaltsanspruch und der tatsächlichen Gewährung. Alle Unterhaltsberechtigten, z.B. auch im Ausland lebende Kinder, sind auf dem Personalbogen anzugeben. In Anlage 5J ist dann zu erfassen, ob tatsächlich Unterhalt gewährt wird. Die Angaben müssen konsistent sein, sonst kommt es zu Beanstandungen (z.B. Anzahl der Unterhaltsberechtigten gem. Anlage 5J passt nicht zu der in Anlage 1). Erwachsene, im Haushalt lebende Kinder, denen Naturalunterhalt gewährt wird, sind zu erfassen. Kindergeldbezug indiziert Unterhaltsanspruch, bei Kindern in einer ersten Berufsausbildung ist er ebenso gegeben.
Ergänzende Anmerkung seitens der Insolvenzrichter: häufig ist die Zusatzerklärung für verheiratete Schuldner nicht ausgefüllt, hierauf ist zu achten!
Insolvenzantrag – Anforderung von Lohnnachweisen unter Androhung der Rücknahmefiktion
Problemstellung
Das Gericht fordert Lohnnachweise als Bestandteil des Insolvenzantrages unter Androhung der Rücknahmefiktion ein. Jedoch findet sich weder im Gesetz noch im Formular noch in den Hinweisen zum Formular die Verpflichtung hierzu. Den Hinweisen zu RZ 50 ist die Formulierung zu entnehmen „Um Ihre Angaben zu belegen können Sie die Verdienstbescheinigungen der letzten zwei Monate beifügen“. Verweis hierzu: HK-PrivatinsolvenzR/Homann § 305 Rn. 83. S. ferner Butenob in der Anmerkung zu LG Hamburg 326 T 149/16 vom 02.01.17 = ZVI 2017, 142 ff.; Möhring, ZVI 2020, 205.
Antwort
Dies wurde bisher vom Insolvenzgericht Stuttgart unterschiedlich gehandhabt. Man hat sich nun darauf geeinigt, dass diese Nachweise künftig nicht angefordert werden, es sei denn, es ist auf dem Insolvenzantrag angekreuzt, dass diese beigefügt seien, sie aber nicht beiliegen. Lohnnachweise werden vom Insolvenzgericht nicht benötigt, da der Schuldner mit seiner Unterschrift auf dem Antrag bestätigt, richtige Angaben gemacht zu haben. Die Nachweise sind (erst) für den Insolvenzverwalter relevant, der diese dann aktuell anfordert.
Laufzeiten der gerichtlichen Schuldenbereinigungspläne
Problemstellung
Die Unsicherheit in der Beratung hinsichtlich der Laufzeiten von gerichtlichen Schuldenbereinigungsplänen (SBP) läuft der Intention des Gesetzes entgegen, Insolvenzverfahren zu vermeiden.
Antwort
Die Bearbeitung von gerichtlichen SBP ist sehr aufwendig und zeitintensiv, besonders, wenn es viele Gläubiger gibt. So müssen z.T. korrekte Adressaten und Adressen ermittelt werden, manchmal ist Auslandszustellung erforderlich. Die Zustellung selbst beinhaltet lange Laufzeiten, da häufig die erforderlichen „Empfangsbekenntnisse“ (EB) durch Rechtsanwälte nicht zurückgeschickt werden. Teilweise muss im Zuge der Bearbeitung erst der Ersetzungsantrag eingeholt werden.
Die Rolle des Richters im Verbraucherinsolvenzverfahren
Problemstellung
In der Literatur und in der Gesetzgebung wird immer mal wieder diskutiert, das VI zukünftig komplett auf den Rechtspfleger zu übertragen. Wie ist die Einschätzung der Insolvenzrichter hierzu?
Antwort
Dieses Thema kommt immer wieder auf, wird aber in der Praxis verhalten aufgenommen. Grundsätzlich könnten die Rechtspfleger die Insolvenzverfahren komplett übernehmen, aber dann wäre eine Abgrenzung zu richterlichen Tätigkeiten mit entsprechender gesetzlicher Regelung erforderlich. Außerdem würde dies zu weniger Richter-Stellenanteilen und damit zu einer noch größeren Spezialisierung führen. Aktuell sind alle Richter neben dem Familien- auch für das Insolvenzrecht zuständig. Eine sinnvolle Arbeitsaufteilung würde sich dann noch schwieriger gestalten.
Derzeit führen die Rechtspfleger die Insolvenzverfahren ab deren Eröffnung. Planverfahren, Versagungen und Rechtsmittel unterliegen der richterlichen Entscheidung. Es besteht ein Mangel an Rechtspflegern, zudem wird von ihnen die Tätigkeit im Insolvenzrecht als verhältnismäßig unattraktiv angesehen.
Versagung der Restschuldbefreiung wegen nichtgezahlter Treuhändervergütung und Neuantrag
Problemstellung
In der ZSB gibt es vermehrt Klienten, denen eine Restschuldbefreiung wegen Nichtzahlung der Treuhändervergütung versagt wurde (§ 298 InsO). Für einen Neuantrag gibt es keine Sperrfrist. Wie wird in solchen Fällen über den Verfahrenskostenstundungsantrag entschieden? Gibt es Hemmnisse aus der Sicht des Gerichts?
Antwort
Eine Versagung der RSB wegen Nichtzahlung der Treuhändervergütung tritt in der Regel nur auf, wenn vorher die Kostenstundung aufgehoben wurde. In diesen Fällen wird vom Insolvenzgericht der Grund geprüft. Eine erneute Kostenstundung ist allerdings grundsätzlich möglich.
Stundungsanträge müssen nach wie vor „in Etappen“ gestellt werden. Die Bearbeitung obliegt den Rechtspfleger. Die Praxis, bei der zu Beginn der Wohlverhaltensphase in einem vom Insolvenzverwalter versandten Schreiben, die Schuldner ankreuzen sollen, ob sie
– die Treuhändervergütung sofort zahlen
– oder in Raten
– oder „sich auf die vom Gericht erteilte Kostenstundung berufen“,
wird von den Insolvenzrichtern nicht als konsistent erachtet, da vom Treuhänder keine Rechnung gestellt werden muss, wenn ein Stundungsbeschluss existiert. Möglicherweise wird in der Praxis der zu Beginn des Insolvenzverfahrens gestellte Stundungsantrag von den Rechtspflegern als auch für die Wohlverhaltensphase geltend akzeptiert, jedoch muss zwingend von ihnen ein zweiter Stundungsbeschluss erlassen und zugestellt werden.
Freigabeanträge nach § 906 II ZPO im eröffneten Insolvenzverfahren
Problemstellung
Für den Antrag auf Freigabe des pfändungsfreien Betrags, welches vom Arbeitgeber auf das Konto des Schuldners überwiesen wird, ist nach der Eröffnung des Insolvenzantrags das Insolvenzgericht zuständig (§§ 36 I InsO, i.V.m. 850c, 906 II ZPO). (Wer entscheidet über diese Anträge?) Werden sogenannte Blankett Beschlüsse seitens des Insolvenzgerichts erstellt? Eine Bezifferung ist bei schwankendem Einkommen schwierig.

Wäre dann ein Antrag nach § 907 ZPO besser?

Kann der Antrag direkt mit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitgeschickt werden?

Leider werden derartige Freigabebeschlüsse des Vollstreckungsgerichts./. Insolvenzgerichts nicht immer von den kontoführenden Banken der Schuldner akzeptiert. Manche Banken verlangen trotzdem eine Freigabebescheinigung von uns. Diesem Anliegen können wir nicht nachkommen, da das Gericht hier zuständig ist. Was kann dem Schuldner empfohlen werden, wenn die Bank den gerichtlichen Beschluss nicht akzeptiert?

Antwort
Dies liegt in der Entscheidungsbefugnis der Rechtspfleger, da die Frage erst nach Verfahrenseröffnung relevant wird. Insofern ist ein direkt mit Insolvenzantrag versandter Freigabeantrag zur Unzeit gestellt und muss zurückgewiesen werden. Zudem liegen die für die Entscheidung wesentlichen Informationen in der Regel erst nach dem ersten Bericht des Insolvenzverwalters vor. Der Insolvenzverwalter kann die Freigabe selbst vornehmen, so dass grundsätzlich kein Antrag erfolgen muss. In den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter die Freigabe nicht erklärt, sondern die Differenz zwischen unpfändbarem Einkommen und Freigabebetrag auf dem P-Konto zur Masse zieht, besteht allerdings bei einem kurzfristig erfolgenden Geldeingang Gefahr für den Schuldner, da der Antrag nicht rückwirkend gestellt werden darf. Solche problematischen Situationen entstehen unter anderem auch bei Nachzahlungen über 500 EUR von Leistungen, die nicht SGB II oder XII Leistungen sind, oder z.B. bei Auszahlung von unpfändbarem Weihnachts- oder Urlaubsgeld durch den Arbeitgeber. Hier empfiehlt es sich, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Antrag sofort zu stellen, ggf. mit dem Vermerk „Eilt“.
Im Falle einer fehlenden Akzeptanz von gerichtlichen Freigabebeschlüssen durch Banken kann keine Empfehlung gegeben werden, da ein Gerichtsbeschluss höchstmögliche Aussagekraft besitzt.
Herabsetzung des Ehegattenunterhalts
Problemstellung
Der gut verdienende Schuldner zahlte neben Ehegatten- und Kindesunterhalt nennenswerte Raten für seinerzeit gemeinschaftlich aufgenommene Schulden. Aus diesem Grund sollte der Ehegattenunterhalt herabgesetzt werden. Der Nachweis für den Schuldendienst konnte aber nicht erbracht werden, da zwischenzeitlich in den Vorrechtsbereich vollstreckt wurde. Daraufhin erfolgte keine Herabsetzung des Unterhalts.
Antwort
Die Vorgehensweise ist korrekt. Bei einer beantragten Herabsetzung des Unterhalts sind nur die tatsächlich geleisteten Ratenzahlungen anzuerkennen. Wenn in den Vorrechtsbereich gepfändet wird, ist dieser Nachweis aktuell nicht mehr zu führen. Sofern noch nicht allzu viel Zeit verstrichen ist, können die vor Pfändung gezahlten Raten evt. noch über Kontoauszüge nachgewiesen werden.
Insolvenzantrag bei Schuldnern mit gesetzlichen Betreuern
Problemstellung
Wer unterschreibt den Insolvenzantrag?
Antwort
Solange der Betreute geschäftsfähig ist und kein Einwilligungsvorbehalt besteht, könnte der Insolvenzantrag allein unterschrieben werden. Auf der sicheren Seite ist man, wenn auch der Betreuer mit unterschreibt. Dies verhindert Nachfragen.

Hier finden Sie die Veröffentlichung zum vorangegangenen Treffen: LINK