17. Januar 2024

Birgit Knaus, Evang. Diakonieverband im Landkreis Böblingen

Im Onlinehandel ist es längst Alltag, den Bezahlvorgang über sog. Zahlungsdienste bzw. Zahlungsdienstleister abzuwickeln. Gesetzlich geregelt sind diese Zahlungsdienste im ZAG (Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten) und in §§ 675 c ff BGB. Schaut man sich allein in § 1 ZAG die „Begriffsbestimmung“ von Zahlungsdiensten und Zahlungsdienstleistern an, erkennt man schnell, wie komplex, aber auch wie unterschiedlich die Unternehmensstrukturen dahinter sein können. Deshalb beschränke ich mich in diesem Artikel auf die Frage, wie sich die am meisten verbreitete Zahlungsdienste auf unsere Arbeit in der Schuldnerberatung auswirken.

Was passiert beim Abschluss des Kaufvertrages?

Bestellt man Online, werden einem vor Abschluss des Kaufvertrages verschiedene Bezahlmöglichkeiten angeboten. Möglich sind meist die Bezahlung per Sofortüberweisung, per Kreditkarte, immer seltener noch Kauf auf Rechnung und das Bezahlen über Zahlungsdienstleister wie Klarna oder Paypal.

Bei der Bezahlung durch Sofortüberweisung geht man in Vorkasse, d.h. das Girokonto wird sofort belastet und taucht in der Schuldnerberatung eben als überzogenes Girokonto auf. Bei Bezahlung per Kreditkarte wird das Kreditkartenkonto belastet. Beides ist für uns in der Schuldnerberatung eher unkompliziert und durch Anschreiben der kontoführenden Bank oder des Kreditkarteninstituts leicht zu klären.

Bei der Bezahlung mit Klarna und Co. wird es komplizierter. In der Regel findet hier mit der Auswahl des Zahlungsdienstleisters ein Gläubigerwechsel statt und es kann zwischen unterschiedlichen Fälligkeiten gewählt werden. Die meisten bieten an, dass der Kaufpreis erst 30 Tage nach Erhalt der Ware fällig wird oder in einer unterschiedlichen Anzahl von Raten bezahlt werden kann. Dabei kann bei einigen Anbietern auch zwischen diesen Angeboten nachträglich gewechselt werden, beispielsweise kann dann doch noch eine Ratenzahlung vereinbart werden, wenn nach den 30 Tagen der Kaufpreis nicht in voller Höhe bezahlt werden kann. Der Bezahlvorgang wird dadurch sowohl vom Ansprechpartner als auch vom Zeitablauf her völlig vom ursprünglichen Warenkauf losgelöst. Werden solche Zahlungsdienste häufiger genutzt, ist es vorprogrammiert, dass die KlientInnen den Überblick völlig verlieren. In den Apps gibt es i.d.R. keine Gesamtübersicht, in der einfach und übersichtlich alle über den Zahlungsdienstleister abgeschlossenen Bezahlvorgänge aufgelistet werden, sondern meist wird nur die nächste fällige einzelne Rate angezeigt.

Schreiben wir die Zahlungsdienstleister als Schuldnerberatung an, bekommen auch wir keine Gesamtübersicht. Zu noch nicht fälligen Zahlungen erfolgt i.d.R. gar keine Antwort. D.h. in diesem Stadium ist es äußerst schwierig, sich einen Gesamtüberblick über die Verschuldung zu verschaffen. Außerdem ist es sehr schwierig, gegen nichtberechtigte Forderungen vorzugehen.

Was passiert bei Zahlungsstörungen?

Werden beim Zahlungsdienstleister fällige Beträge nicht bezahlt, werden diese i.d.R. zuerst angemahnt (mit Mahngebühren) und anschließend an ein Inkassobüro zum Einzug übergeben. Bei Klarna z.B. erhalten die KlientInnen dann ein Schreiben von Coeo Inkasso GmbH mit Gläubigerin Klarna. Der ursprüngliche Gläubiger (Verkäufer) ist oft nicht genannt. Gab es viele Bezahlvorgänge über einen Zahlungsdienstleister, kommen auch entsprechend viele dieser Inkassoschreiben – jeder Bezahlvorgang ein eigenes Aktenzeichen und eigene Inkassokosten. Da wir zunehmend KlientInnen haben, die sehr viel und sehr lange über diese Zahlungsdienstleister bezahlt haben, ist es fast unmöglich, diese Forderungen zu prüfen und den ursprünglichen Kaufvorgängen zuzuordnen. Und man weiß nie, wie viele noch nicht fällige Vorgänge es parallel beim Zahlungsdienstleister direkt gibt. Noch komplizierter wird es dadurch, dass die Forderung bei Nichtzahlung an das Inkassobüro weiterverkauft wird und von einem Factoring-Unternehmen gekauft wird. D.h. wieder ein Gläubigerwechsel und wieder ein anderes Aktenzeichen. Da diese neuen Aktenzeichen nur schwierig den vorherigen zuzuordnen sind, kommt es in den Gläubigeraufstellungen leicht zu Doppelungen.

Durch diese unübersichtliche Situation und die ständigen Veränderungen bei den Gläubigern ist es enorm schwer und extrem zeitaufwendig, einen tragbaren außergerichtlichen Einigungsversuch zu erstellen. Gleichzeitig zählen alle diese Forderungen nur als ein oder maximal als zwei Gläubiger (Zahlungsdienstleister selbst und das Factoring-Unternehmen) . Und viele unserer KlientInnen nutzen nicht nur einen Zahlungsdienstleister. Mehrere Bestellungen bei Otto (Ratepay, EOS Investment GmbH, EOS Deutscher Inkasso Dienst) , Zalando (Zalando Payments GmbH, Pair Finance, Liquandum Capital), H & M (Klarna, Coeo) und parallel Bezahlen mit Paypal (Riverty, KSP) ergeben ein unüberschaubares Chaos. Führt man diese Forderungen sorgfältig als 1a, 1b, 1c … im AEV auf, hat man schnell 30 bis 40 Forderungen bei nur 4 bis 5 Gläubigern- immer verbunden mit dem unguten Gefühl, dass man eventuell einzelne Forderungen noch nicht oder doppelt erfasst hat.

Da jeder einzelne Bezahlvorgang eigene Mahngebühren und Inkassokosten verursacht (über deren Höhe oft auch zu streiten wäre), führt dies zu einer regelrechten Schuldenexplosion. Zahlungsdienstleister werden zunehmend auch bei kleinen Beträgen eingesetzt. Da bleibt auch bei eigentlich kleinen ursprünglichen Hauptforderungen oft nur noch das Insolvenzverfahren als Lösung.

Was müsste sich verändern?

Zahlungsdienstleister müssten dazu verpflichtet werden, eine Gesamtübersicht anzubieten, auf der alle über sie abgewickelten Bezahlvorgänge dargestellt sind mit Nennung des ursprünglichen Verkäufers und der dazugehörigen Bestellübersicht.

Bei unberechtigten Forderungen (bsp. bei retournierter oder gar nicht gelieferter Ware) muss die Forderung beim Zahlungsdienstleister auf einfache Weise blockiert werden können. Immer wieder werden diese Forderungen trotzdem an Inkassobüros abgegeben. Zu beachten ist hier insbesondere das aktuelle Urteil vom Bundesverfassungsgericht, wonach bei bestrittenen Forderungen keine Inkassokosten verlangt werden dürfen.

Auch die Inkassobüros müssten zur Erstellung von Gesamtübersichten pro Gläubiger verpflichtet werden. Bei gleichem Gläubiger müssen die Inkassokosten für weitere Forderungen des gleichen Gläubigers deutlich gesenkt werden.

Bei einem Gläubigerwechsel müssten alle vorangegangenen Gläubiger inklusive ladungsfähiger Adresse und Aktenzeichen aufgeführt werden.

Zahlungsdienstleister sind ein Teil unseres Alltags und für zahlungsfähige NutzerInnen durchaus auch eine Erleichterung. Für Menschen mit geringem Einkommen und mit knappem Budget sind sie aber oft der Beginn einer schnell und rasant wachsenden Schuldenspirale. Wenn mit dem Inkasso von Forderungen mehr Geld verdient wird als mit dem zugrunde liegenden Warenverkauf, dann ist das System in Schieflage geraten. Mit der Zunahme der Bezahlvorgänge über Zahlungsdienstleister hat sich dieses Problem nochmal erheblich verschärft.