Thomas Seethaler, Caritasverband Heidelberg e.V.
Das Inkassogeschäftsmodell der Otto-Tochter EOS Investment GmbH ist rechtswidrig. Dies stellte das Hanseatische Oberlandesgericht in einem Urteil vom 15.06.2023 fest.
Dem Urteil vorausgegangen war eine Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), über die wir hier schon mehrfach berichtet haben.
Die beklagte EOS Investment GmbH, Tochterunternehmen innerhalb der Otto Group, erwirbt Otto-Forderungen, aber auch Forderungen fremder Unternehmen, wie etwa von Kreditinstituten, im Wege des Factoring auf und lässt sie dann vom konzerneigenen Schwesterunternehmen EOS Deutscher Inkassodienst GmbH (EOS DID) einziehen. EOS DID machte in den fünfzehn zur Entscheidung gestellten Verbraucherfällen für seine Tätigkeit gegenüber den säumigen Schuldner*innen Inkassokosten als Verzugsschadensersatz geltend (§§ 280, 286 BGB). Bei der Höhe orientierte sich die EOS DID dabei an den Regelungen für Inkassokosten im Rechtsdienstleistungsgesetz und im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Die fünfzehn Verbraucher*innen, so das Gericht, seien zwar sämtlich mit ihren Zahlungen in Verzug und deshalb grundsätzlich zum (Schadens)Ersatz von Rechtsverfolgungskosten verpflichtet gewesen. Aber dies gelte eben nur, wenn die verlangten Kosten auch wirklich angefallen seien. Tatsächlich sei der beklagten EOS Investment GmbH wegen der Konzernverbundenheit mit EOS DID überhaupt kein Vermögensschaden (Rechtsverfolgungskosten) entstanden. Somit fehle es an einem gegen die Schuldner gerichteten Schadensersatzanspruch. Vielmehr handele es sich bei der geltend gemachten Inkassovergütung lediglich um einen fiktiven und folglich nicht ersatzfähigen Schaden.
Dies entspricht dem zentralen Grundsatz im deutschen Schadensersatzrecht: „Ohne Schaden, kein Schadensersatz“.
Des Weiteren ist zu dieser Problematik auszuführen: Wie in der Inkassobranche allgemein üblich, ist auch die interne Inkassovereinbarung zwischen den beiden Schwesterunternehmen der Otto Group so gestaltet, dass die EOS Investment als Auftraggeberin nicht für die einzelne Bearbeitung eines Inkassoauftrags bezahlt, sondern im Erfolgsfall den Verbraucher*innen ein Honorar in Anlehnung an die Rechtsanwaltskosten auf die geschuldete Hauptforderung aufgeschlagen wird. Vereinbart findet sich überdies, dass der Gläubiger die vereinbarten Rechtsverfolgungskosten bei gescheiterter Einziehung in keinem einzelnen Fall tatsächlich zu tragen hat.
Schließlich stellte das OLG fest, dass die EOS DID nach § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG wegen der Konzernverbundenheit zur EOS Investment GmbH gar keine fremden Forderungen einziehe, sondern (konzern-)eigene Forderungen. Der Einzug fremder Forderungen sei jedoch die gesetzliche Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine potentiell abrechenbare Inkassodienstleistung erbracht wird (§ 2 Abs. 2 RDG).
Einordnung und Konsequenzen für die Praxis der Schuldnerberatung
Da es sich um eine Musterfeststellungsklage handelt, gibt es keine Berufungsinstanz. Vielmehr kann die beklagte EOS Investment nur noch Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegen. Mit der Verkündung des BGH-Urteils tritt dann sofort die Rechtskraft ein. EOS Investment hat bereits angekündigt, Revision beim BGH einzulegen.
Die Chancen, dass der BGH der Revision stattgeben wird, sind wahrscheinlich nicht hoch. Der BGH hat 2019 in einem Strafverfahren mit ähnlicher Problemstellung entschieden, dass eine Geltendmachung von im Innenverhältnis nicht geschuldeten, aber im Außenverhältnis behaupteten Inkassovergütungen eine betrugsrelevante Täuschung darstellt (BGH, NJW 2019, 1759, Rn. 15, 23ff.).
Sollte der nun zuständige Zivilsenat des BGH-Urteil des OLG Hamburg bestätigen, wird dieses auch in den zahlreichen Fällen von durch andere Unternehmen betriebenem Konzerninkasso (wie zum Beispiel Riverty, Intrum, Bad Homburger Inkasso) eine große Bedeutung entfalten.
Überdies lässt sich das Argument des Gerichts, wonach es an einem tatsächlichen Schaden des Gläubigerunternehmens fehlt, auch auf solche Inkassounternehmen übertragen, die nicht Teil eines Konzerns sind. Nur wenn das Inkassounternehmen dem Gläubigerunternehmen tatsächlich eine Inkassovergütung berechnet hat, ist vom Entstehen eines Schadens auszugehen, welcher der Schuldner dem Gläubigerunternehmen erstatten muss. Nach den allgemeinen Grundsätzen im Zivilrecht muss immer der Gläubiger im Bestreitensfall beweisen, dass ihm ein Schaden entstanden ist. Demzufolge kann der Schuldner vom Gläubiger verlangen, dass er ihm die Bezahlung der Inkassovergütung an das Inkassounternehmen und damit das Entstehen des Verzugsschadens nachweist.
In den meisten Fällen wird dieser Nachweis jedoch nicht geführt werden können: In den zwischen Inkassounternehmen und Gläubigerunternehmen abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen wird nämlich in der Regel festgelegt, dass die Bezahlung in Form einer Erfolgsvergütung erfolgt, und im Nichterfolgsfall das Gläubigerunternehmen nichts (oder allenfalls eine geringe Pauschale) zu entrichten hat, aber eben nicht die vom Schuldner verlangte Inkassovergütung! Dies ergibt sich auch aus den Webseiten vieler Inkassounternehmen, wenn es dort heißt: „Unsere Leistungen sind für Sie im Nichterfolgsfall kostenlos“. Einige Schuldnerberatungsstellen (und in Zukunft hoffentlich deutlich mehr) bestreiten schon heute die verlangten Inkassokosten und fordern von den Inkassounternehmen Nachweise über die tatsächlich geflossenen Gelder zwischen Auftraggeber und Inkassounternehmen. Damit werden gute Erfahrungen gemacht!
Pressemitteilung der vzbv vom 15.06.2023:
vzbv klagt erfolgreich gegen Geldeintreiber der Otto Group |