20. Juli 2020

Birgit Knaus, Evangelischer Diakonieverband im Landkreis Böblingen

Der ursprüngliche Referentenentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wurde von einem neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung überholt und steht am 09.09.2020 auf der Tagesordnung des Bundestages. Erfreulich ist, dass die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf 3 Jahre nun doch früher, nämlich ab 01.10.2020 eingeführt werden soll. Der Gesetzesentwurf hat aber auch einige weniger erfreuliche Punkte im Gepäck. Es wird kompliziert.

Die wichtigsten vorgesehenen Änderungen:

  • Für alle ab dem 01.10.2020 eingereichten Insolvenzverfahren (auch für VerbraucherInnen) wird die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre reduziert werden.
  • Diese Verkürzung wird an keine Bedingungen geknüpft (wie z.B. Bezahlung Verfahrenskosten)
  • Für alle Verfahren, die vor dem 01.10.2020 eingereicht wurden, gilt die bereits veröffentlichte Tabelle! D.h. Antragstellung am 30.09.2020 bedeutet eine Laufzeit von 4 Jahren und 10 Monaten! Die Verkürzungsmöglichkeit auf 3 Jahre (35 %) bleibt für diese Verfahren.
  • Es wird in § 295 InsO eine zusätzliche neue Obliegenheit für den Schuldner eingeführt: keine unangemessenen Verbindlichkeiten i.S.d. § 290 I Nr. 4 InsO zu begründen.
  • Prüfung dieser neuen Obliegenheitsverletzung und Versagung der Restschuldbefreiung auch von Amts wegen, wenn gleichzeitig die Befriedigungsinteressen der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt sind!
    Bisher braucht es für die Versagung der RSB den Antrag eines Insolvenzgläubigers.
  • Gewinne aus einer Lotterie oder aus Gewinnspielen sind auch in der Wohlverhaltensphase an den Treuhänder herauszugeben
  • Die Verkürzung der Verfahrensdauer auf drei Jahre ist für Verbraucher bis 30.06.2025 befristet. Es soll nochmal geprüft werden, wie sich die Verkürzung auf das Verhalten der Verbraucher auswirkt!
  • Wer in einem nach dem 1.10.2020 eingereichten Verfahren nach drei Jahren die RSB erhalten hat, für den gilt eine 11-jährige Sperrfrist für ein neues Verfahren und dieses neue Verfahren hat dann eine Abtretungsfrist von 5 Jahren.

Was heißt das nun für die Beratungspraxis?

Aktuell keine Verfahren mehr einreichen! Der Unterschied bei der Laufzeit ist so groß, dass es eigentlich keine Gründe geben kann, die das rechtfertigen. Ausnahme: Wenn man damit rechnet, dass der Schuldner im Insolvenzverfahren wieder Schulden macht. Aber dann sollte man den Antrag sowieso gar nicht stellen. Dann ist erstmal Beratung und Begleitung gefragt.

Bei bereits eingereichten Verfahren, die noch nicht eröffnet wurden, kann man den Antrag zurücknehmen. Hier ist schnelles Handeln gefragt. Wenn der Eröffnungsbeschluss da ist, gibt es kein zurück mehr.

Abwarten bis 01.10.2020 (wurde das Gesetz auch so verabschiedet?) und dann alle „auf Halde“ produzierten Insolvenzanträge einreichen. Vorsicht: Formularzwang! Es soll die Anlage 2 und Anlage 3 geändert werden. Und: Der außergerichtliche Einigungsversuch darf nicht älter als 6 Monate sein!

Generell sollten außergerichtliche Vergleiche an diese neuen Regelungen bei der InsO angepasst werden. D.h. vor allem die Laufzeit verkürzen! Allerdings verringert das natürlich die Erfolgschancen. Hier ist viel Beratung gefragt: Was ist dem Klienten wichtig? Was ist wirtschaftlich von Vorteil?

Fazit:

Nun soll wegen Corona die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre im Hauruckverfahren eingeführt werden, verbunden mit einem großen Misstrauen gegenüber VerbraucherInnen und mit großen Ungerechtigkeiten gegenüber bereits laufenden Verfahren. Die zusätzliche Prüfung eines Versagungsgrundes von Amts wegen ist ein nicht zu rechtfertigender Paradigmenwechsel und meiner Ansicht nach völlig unnötig. Insgesamt wird vieles zu kompliziert.

Wir BeraterInnen werden viel Zeit damit verbringen, den Klienten diese hochkomplexen Regelungen zu erklären. Zeit, die wir besser für die wirklichen Probleme und für die Lebenssituation unserer Klienten verwenden könnten. Ein Insolvenzverfahren ist immer ein Neubeginn, der begleiten werden sollte. Mit Mut machen – nicht mit Misstrauen und Druck.

Hoffen wir auf das Gesetzgebungsverfahren – vielleicht ändert sich ja noch was.

Wer nicht nur abwarten möchte: Maßgebliche Jurist*innen haben die Initiative ergriffen und einen Aufruf gestartet, der die wesentlichen Kritikpunkte in prägnanter Weise zusammenfasst. Dieser Aufruf soll im weiteren parlamentarischen Verfahren an die politisch Verantwortlichen weitergeleitet werden. Eine Mitwirkungsmöglichkeit beim Versuch der Verhinderung oder Änderung , wäre es z.B. den Aufruf von Ahrens u.a. mitzuunterzeichnen. Dieser Aufruf kann u.a. beim Fachzentrum Schuldenberatung Bremen gefunden werden unter:

http://www.fsb-bremen.de/?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed%3A+RSS-Schuldnerberatung+%28RSS+Schuldnerberatung%29

bzw. direkt zum Download hier:

http://fsb-bremen.de/amfiles/Aufruf_zum_GE_BReg_13_07_2020.pdf

Durch möglichst viele Unterzeichnende soll ein Umdenken der Politik und damit entsprechende Änderungen im parlamentarischen Verfahren erreicht werden.

Leider enthält der Aufruf keine direkte Kontaktmöglichkeit. Man müsste einen/jeden Aufrufer individuell recherchieren, sofern nicht bekannt. Hier ist ein Kontaktformular zu einem der Ursprungsunterzeichner…

http://www.judis.info/contact

…über das hoffentlich ein Mitunterzeichnungswunsch an ihn bzw. die Autoren herangetragen werden kann (ohne Gewähr).