2. Januar 2016

RA Kai Henning, Dortmund *)

Liegen keine oder nur bestrittene Forderungen im Insolvenzverfahren einer natürlichen Person vor, kann die Restschuldbefreiung auch dann gem. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO n.F. vorzeitig erteilt werden, wenn die Verfahrenskosten gestundet wurden.
AG Aurich Beschl. vom 20.11.15 -9 IK 395/14-

Anmerkung

Der Entscheidung des Amtsgerichts Aurich ist zuzustimmen. Es macht keinen Sinn, ein Verfahren durchzuführen, in dem Belange der Gläubiger mangels Teilnahme gar nicht mehr berührt werden können, und dass nur noch den Schuldner und die Justizkasse belastet. Die Annahme einer Berichtigung der Verfahrenskosten i.S.d. § 300 Abs. 1 S. 2 InsO durch eine Stundung der Verfahrenskosten ist allerdings höchst umstritten (für eine Berichtigung durch Stundung neben der hier besprochenen Entsch. u.a. AG Göttingen ZInsO 2015, 1357 und Beschl. vom 21.12.15 -71 IK 123/15 NOM-; AG Essen 23.2.2015 -165 IK 218/14- nv; AG Essen VuR 2012, 196; Pape ZInsO 2007, 1289, 1305; Kohte VuR 2012, 197; K.Schmidt/Henning InsO 19. Aufl. § 300 Rdnr. 11; gegen eine  Berichtigung durch Stundung u.a. LG Hannover Beschl. 5.11.15 -11 T 35/15-  und Blankenburg ZVI 2015, 412 m.w.N.).

Die von Blankenburg (ZVI 2015, 412) vorgenommene Auslegung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO, nach der die Berichtigung zwingend nicht über eine Stundung erfolgen könne, überzeugt aber nicht. Denn insbesondere einer teleologischen Auslegung der Vorschrift dürfte ein größeres Gewicht zu kommen, als Blankenburg es annimmt. Sinn und Zweck der Verfahrenskosten- und Stundungsregelungen in den Verfahren der natürlichen Personen sind die Möglichkeit für jede natürliche Person, die Restschuldbefreiung zu erreichen, die Durchführung eines geordneten, auch die Belange der Gläubiger berücksichtigenden Verfahrens und eine möglichst geringe Belastung der Justizkassen. Diesem Sinn und Zweck entspricht die Durchführung eines Verfahrens, in dem Belange der Gläubiger mangels Teilnahme gar nicht mehr berührt werden können, nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, wem es dienen kann, den Schuldner in einem Verfahren zu halten, in dem ihm bei Fehlverhalten noch nicht einmal die Restschuldbefreiung versagt werden kann, da ein antragsberechtigter Gläubiger nicht vorhanden ist.

Die Klärung dieser Rechtsfrage dürfte in Kürze durch den 9. Senat des BGH erfolgen. Die Rechtsbeschwerde eines Schuldners gegen die nicht vorzeitig erteilte Restschuldbefreiung ist jetzt nach Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht beim BGH anhängig gemacht worden (IX ZA 35/15).

Rechtsanwalt Kai Henning
Hamburger Str. 89, 44145 Dortmund
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