5. Juni 2013

Bernd Krüger, Referent Schuldnerberatung, Diakonisches Werk Württemberg

Die Fallpauschalen des Landes sind für unsere Schuldnerberatung entweder sehr wichtig oder nicht relevant.

Sehr wichtig sind sie, wenn die Schuldnerberatung weiter die Kapazität für außergerichtliche Regulierungen haben soll und weiter Insolvenzverfahren vorbereiten und durchführen soll.

Dass es allerdings auch ohne Landesförderung geht, beweisen sowohl Schuldnerberatungsstellen der Kommunen, als auch der Diakonie. Diese Stellen erbringen das Gesamtpaket der Schuldner- und Insolvenzberatung üblicherweise in enger Kooperation mit Rechtsanwälten, die ihre Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe mit dem Land abrechnen und ggfs. für die Unterstützung bei der Stellung des Insolvenzantrags von den Überschuldeten noch extra Honorar verlangen. Die Sozial- und Lebensberatung für Überschuldete kommt bei dieser Arbeitsteilung ihrem eigentlichen psycho-sozialem Hilfsauftrag nach und überlässt die Regelung der Rechtsangelegenheit den Anwälten.

Allerdings ist diese Konstruktion für die Betroffenen und für die öffentliche Hand insgesamt (Land und Kommunen zusammen genommen) teurer als die Schuldner- und Insolvenzberatung aus einer Hand, und sie ist insgesamt arbeitsaufwendiger und für die Betroffenen belastender.

Als unter der CDU / FDP – Regierung 1998 die Landesförderung mit Fallpauschalen konstruiert wurde, bedeutete uns der damalige Justizminister Dr. Goll, dass für die Verbraucherinsolvenz eigentlich die Anwälte zuständig seien. Dies schlug sich dann in der Höhe der Fallpauschalen für die Schuldnerberatung nieder, die bekanntlich geringer ist als die zur Festlegung herangezogenen Gebührensätze für Anwälte im Rahmen der Beratungshilfe. Die offizielle Begründung war, dass Anwälte zusätzlich ein wirtschaftliches Risiko hätten.

Wie unrecht die damalige CDU-/FDP-Mehrheit und Dr. Goll hatten, als sie die SB nachrangig bedachten, zeigen die Rückmeldungen der Gerichte an die SB und dass die Rechtsprechung mittlerweile den Vorrang der SB-Stellen vor der Beratungshilfe für die (Tätigkeit mit dem Ziel einer) außergerichtlichen Einigung (mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) ) durch einen Anwalt festgeschrieben hat.

Gerichte bewilligen Beratungshilfe erst, wenn die SB bestätigt, dass sie auf Grund von Wartezeiten nicht kann oder weil der Fall für sie zu kompliziert ist. Was würde passieren, wenn die SB insgesamt keine InsO-Beratung mehr machen würde, wie dies einige wohlfahrtsverbandliche und viele kommunale SB-Stellen von Anfang an getan haben?

Auch wenn die Fallpauschalen des Landes für die Schuldnerberatung weder angemessen noch ausreichend sind, sichern sie den Bestand und die Kapazität der wohlfahrtsverbandlichen Schuldner- und Insolvenzberatung aus einer Hand. Der Finanzierungsmix solcher Stellen besteht üblicherweise aus mehr oder weniger großen Zuwendungen der Kommunen, den Fallpauschalen des Landes, manchmal Spendeneinnahmen – und bei Diakonie und Caritas kommen Zuschüsse der Kirchen hinzu. Das Mischungsverhältnis ist überall anders und hat sich historisch entwickelt.

Wie war diese Entwicklung: Beispiel Diakonie Württemberg

Seit den 70iger Jahren unterstützen Sozialarbeiter, insbesondere solche mit kaufmännischen Kenntnissen, Ratsuchende mit finanziellen Problemen. In mehrjährigen Prozessen halfen sie bei Verhandlungen mit Gläubigern und beim schrittweisen Abzahlen der Schulden. Die Hilfe ist dabei in die allgemeine Sozial- und Lebensberatung der Diakonie integriert und mit kirchlichen Mitteln finanziert.

Anfang der 80iger Jahre entwickelte sich der Begriff Schuldnerberatung und die ersten Kommunen förderten die SB der Wohlfahrtsverbände und richteten in den 90iger Jahren auf Grund von BSHG-Regelungen teilweise eigene ein. Die SB umfasst seit damals:

Maßnahmen der Existenzsicherung (Sicherung und ggfs. Erhöhung des Einkommens, Sicherung der zustehenden Sozialleistungen, Sicherung der Wohnung, Heizung und Energie, des Girokontos), Hauswirtschaftliche und Budget-Beratung im Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen und Angebote zur psychosozialen Unterstützung und Aufarbeitung der mit den Schulden im Zusammenhang stehenden persönlichen, familiären und zwischenmenschlichen Probleme (als Folge oder Mitverursachung).
Vor der Einführung der Verbraucherinsolvenz konnten nur durch freiwillige Vergleiche mit Gläubigern und jahrelange Abzahlungen schrittweise die Schulden reduziert werden; die Insolvenzrechtsreform 1999 eröffnete mit dem individuellen Verbraucherkonkurs eine weitere Möglichkeit.

Deshalb haben die meisten wohlfahrtsverbandlichen SB-Stellen auch die Insolvenzberatung mit übernommen.

Die SB und Anwälte wurden vom Bundes-Gesetzgeber in die Verbraucherinsolvenzverfahren einbezogen, weil er einer übermäßigen Belastung der Gerichte mit Verbraucherinsolvenzverfahren vorbeugen wollte. Deshalb bestimmte er, dass zuerst ein außergerichtlicher Einigungsversuch auf der Grundlage eines Planes unternommen werden muss, bevor sich ein Überschuldeter an das Gericht wenden darf. Dies muss von einer geeigneten Person (einem Anwalt) oder Stelle (einer Schuldnerberatungsstelle) bescheinigt sein. Nach dem Bundes-Gesetzgeber war Aufgabe der geeigneten Personen und Stellen das Ausstellen der Bescheinigung und in dieser Funktion stellte er die Schuldnerberatungsstellen den Anwälten gleich.

Erst das Landes-Ausführungsgesetz zur InsO schreibt den geeigneten Personen und Stellen gleichermaßen folgende Aufgaben vor ( § 2 AGInsO vom 16. Juli 1998 ):

(1) Beratung, Unterstützung und Vertretung von Schuldnern bei der Schuldnerbereinigung (insb. bei der außergerichtlichen Einigung nach Inso)
(2) (bei Scheitern der agE) Info über Voraussetzungen des Insoverfahrens und Bescheinigung nach § 305(1)1 InsO
(3) Unterstützung bei der InsO-Antragstellung und Zusammenstellung aller Unterlagen für den InsO-Antrag

Die geeigneten Stellen werden gem. § 3 AGInsO vom 16. Juli 1998 mit Fallpauschalen gefördert für die Erteilung einer Bescheinigung § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschließlich der hierfür erforderlichen Tätigkeit sowie für den Abschluss eines zur Restschuldbefreiung führenden außergerichtlichen Vergleichs Die Anwälte erhalten Gebühren im Rahmen des RVG für die Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) eine Geschäftsgebühr und zusätzlich eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung bei einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Wie man sieht, gibt es Unterschiede im Umfang und in der Art der Tätigkeiten, die SB-Stellen für die Fallpauschalen leisten müssen und den Tätigkeiten, für die die Anwälte die Gebührensätze im Rahmen der Beratungshilfe erhalten:

Vergleich zwischen den Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der Beratungshilfe und den Fallpauschalen für die Schuldnerberatung in Baden-Württemberg

RVG VV RA Bescheinigung SB  Bescheinigung SB
Einigung
RA
Einigung
2502 Beratungsgebühr 60 (70)
2503 Geschäftsgebühr
2504 bis 5 Gl 224 (270) 200 300 349 (420)
2505 6-10 Gl 336 (405) 267 343,50 461 (555)
2506 11-15 448 (540) 351 427,50 573 (690)
2507 mehr als 15 Gl 560 (675) 435 511,50 685 (825)
2508 Einigungsgebühr davon
125 (150)

Es hat sich herausgestellt, dass Anwälte für die Aufgabe nach § 2 Abs. 3 AGInsO (InsO-Antragstellung einschl. Zusammenstellung der nötigen Unterlagen) von den Überschuldeten gesonderte Honorare verlangen oder ihre Klienten an die Schuldnerberatungsstellen verweisen, wenn sie die Extrahonorare für die Rechtsanwälte nicht aufbringen können.

Wenn solche Klienten von den Schuldnerberatungsstellen überhaupt angenommen werden können, müssen sie wegen der langen Wartelisten oft solange bis zur Beratungsaufnahme warten, dass dann der außergerichtliche Regulierungsversuch erneut vorgenommen werden muss und damit die Fallpauschale für die Schuldnerberatungsstellen anfällt, nachdem der RA bereits Beratungshilfe-Vergütung für den außergerichtlichen Regulierungsversuch nach RVG VV 2503 abgerechnet hatte.

Mit der InsO-Änderung (dem „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“) wurde beschlossen (Art. 5 ändert § 13 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung), dass der Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren statt 1.000 nur 800 € erhält, wenn die die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der InsO (Vermögen, Einkommen, Gläubiger, Forderungen) von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt wurden.

Das ist die Tätigkeit, die das Landes-Ausführungsgesetz in § 2 Abs. 3 als Aufgabe der geeigneten Personen und Stellen beschreibt und von den Anwälten gegen Extra-Honorar geleistet wird.

Die Liga der freien Wohlfahrtsverbände e.V. hat deshalb beantragt, die Fallpauschalen nach § 2 Abs. 1 bis 3 AGInsO um 200 € zu erhöhen, weil die Schuldnerberatungsstellen auch diese Aufgabe des § 2 Abs. 1 bis 3 AGInsO wahrnehmen und diese Kosten dadurch bei der Vergütung der Insolvenz-verwalter eingespart werden.

Leider hat das Sozialministerium dies bereits abgelehnt, weil die Vergütung des Treuhänders als Verfahrenskosten vom Schuldner zu tragen ist und der Staat auf Grund dieser Regelung nichts einspart.
Allerdings: die SB-Stellen erbringen diese Leistung bisher für den Staat kostenlos, der sie zwar als Aufgabe in § 2 Abs. 3 AG InsO festgelegt hat, aber mit der Fallpauschale nach § 3 AG InsO wird nur die Erteilung einer Bescheinigung § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschließlich der hierfür erforderlichen Tätigkeit, nicht aber die Zusammenstellung der Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 gefördert.

Würden diese Kosten bei der Vergütung der Insolvenzverwalter nicht eingespart,
– würden sie als Verfahrenskosten zuerst zu Lasten der Gläubiger gehen (verwertbares Vermögen und Abtretungen gehen zur Masse, von der zuerst die Verfahrenskosten abgezogen werden, bevor Gläubiger Zahlungen erhalten),
– dann an den Schuldner, soweit er im Rahmen der Stundung der Verfahrenskosten leistungsfähig ist,
– und der Rest schließlich, nach dem Tilgungszeitraum der Beratungs- und Prozesskostenhilfestundung, dem Staat verbleiben.

Da das Sozialministerium völlig korrekt mit der Verfahrenskosten-Regelung in Abgrenzung zur Landesförderung der SB-Stellen argumentiert, wäre es folgerichtig auch möglich, die Kosten der Tätigkeit der SB-Stellen im InsO-Verfahren in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung zu regeln, wie dies bei den Treuhändern/Insolvenzverwaltern ja auch geschieht.

Die Schuldnerberatung könnte dann erstmals eine auskömmliche Vergütung ihrer Leistungen im InsO-Verfahren erhalten (wie z.B. die Treuhänder) und sowohl die Gläubiger als auch die Überschuldeten wären in einem transparenten Verfahren nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt.

Das Land sollte m.E. dazu eine entsprechende Gesetzesinitiative starten.

Im April haben wir das Land aber auch gebeten, die Landesförderung zu verbessern, weil den SB-Stellen durch Gesetz immer mehr gesetzliche Aufgaben übertragen werden: Eine zusätzliche Aufgabe bekam die SB z.B. im Zusammenhang mit dem P-Konto.

Die InsO wird geändert in § 305 Abs. 1 Nr. 1 : im Text wird eingefügt nach eine Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle „auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners“  und damit im Gesetzestext die Aufgaben erweitert. Dies trifft die SB allerdings wenig, weil wir dies auch ohne expliziten Auftrag schon von Anfang an so gemacht haben.
mit der InsO-Änderung Nr. 36 wird die Vertretung des Schuldners vor Gericht im gesamten InsO-Verfahren (§ 305 Abs. 4. Satz 1) ermöglicht.

Durch die Änderung des § 305 Buchstabe c InsO durch das „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ kann sich der Schuldner im gesamten Insolvenzverfahren durch die Schuldnerberatungsstelle vertreten lassen.

Mit dieser Erlaubnis ist aber keine Verpflichtung der geeigneten Stellen zur Vertretung des Schuldners im gerichtlichen Verfahren verbunden. Damit die Schuldnerberatungsstellen diese Aufgabe übernehmen können, müssen sie ihre Kapazität und Kompetenz erweitern. Dies auch weil Schuldner dann in der gesamten Zeit des Restschuldbefreiungsverfahrens Beratung und Begleitung durch die Schuldnerberatungsstellen einfordern werden und auch benötigen; die Schuldner müssen mit den Änderungen der InsO weitere Anforderungen und Auflagen einhalten.

Dies kann nur mit einer zusätzlichen Förderung erfolgen, da die Schuldnerberatungsstellen schon jetzt nicht genügend Kapazität für die Beratung der Überschuldeten haben.

Deshalb haben wir das Sozialministerium gebeten zu klären, in welchem Umfang eine Kostenerstattung für diese Aufgaben zur Verfügung gestellt werden kann.

Ob wir diese zusätzliche Aufgabe zusätzlich übernehmen können, wird auch von den Kostenerstattungen dafür abhängen.

Es ist außerdem beabsichtigt, im 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz die Gebühren der Anwälte zu erhöhen; auch für die Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Wenn die Vergütung der Anwälte im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes erhöht wird, ist es ein Gebot der Fairness die Fallpauschalen für die Schuldnerberatung entsprechend anzupassen. Wobei eine geringere Vergütung nicht länger begründet ist, weil das wirtschaftliche Risiko die SB-Stellen der Wohlfahrtverbände genauso wie Anwälte trifft.

Die SB-Stellen der Wohlfahrtverbände sind auf die verschiedenen Leistungsträger angewiesen:

Für die psycho-soziale Schuldnerberatung als Leistung der Daseinsvorsorge oder als Hilfe nach SGB II, auf die Kommune.

Wenn darüber hinaus Gesamtregulierungen mit außergerichtlichen Einigungen versucht werden und ggfs. Insolvenzverfahren vorbereitet und eingeleitet werden sollen, auf das Land mit den InsO-Fallpauschalen.

Für die selbstgewählte soziale Tätigkeit des Wohlfahrtsverbandes auf Spendeneinnahmen und auf die Zuschüsse z.B. der Kirchen für die Stellen der Diakonie oder Caritas.

Die Schuldnerberater haben in den 80iger und 90iger Jahren viel für die Entwicklung der Rechte von Schuldnern getan, haben erfolgreich für die Finanzen ihrer Klienten verhandelt, haben heute größte Expertise bei der Weiterentwicklung der InsO-Gesetzgebung und angrenzender Gebiete.

Wir haben aber bisher zu wenig getan für eine sichere und auskömmliche Finanzierung unserer Arbeit. Sobald ein Leistungsträger andere Prioritäten setzt oder seinen Finanzierungsbeitrag nicht den steigenden Kosten anpasst, ist der Bestand einer SB-Stelle gefährdet. Deshalb ist für uns jeder Leistungsträger wichtig und auch das Land entscheidet mit seiner Förderung über den Bestand der wohlfahrtsverbandlichen Schuldner- und Insolvenzberatung aus einer Hand.