6. Oktober 2021

Seit dem 01.10.2021 gelten neue Regeln im Inkassorecht. An diesem Tag sind die im Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt verkündeten Regelungen zur Inkassovergütung im „Gesetz zur Verbesserung der Verbraucherrechte im Inkassorecht“ (VVInkG) in Kraft getreten.

Zum gleichen Datum sind auch erweiterte Informations- und Darlegungspflichten in Kraft getreten (§ 13a RDG), die Inkassodienstleister dem/der säumigen Schuldner*in im ersten Anschreiben zur Verfügung stellen bzw. auf Anforderung übermitteln müssen.

Die neuen Regelungen gelten nur für Forderungen, für die der Inkassoauftrag vom Gläubiger nach dem 30.09.2021 erteilt wurde. Für Aufträge, die bis zum 30.09.2021 erteilt wurden, gilt weiterhin das alte Recht.

Die neuen Regelungen im Überblick:

  • Kostenrechtliche Gleichstellung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern: Inkassodienstleister können nur Kosten in der Höhe geltend machen, wie sie einem Rechtsanwalt zustehen würden (§ 13e RDG).
    Damit ist nochmals ausdrücklich klargestellt: Vergütungen, die im RVG nicht vorgesehen sind, sind nicht zulässig! Dies gilt sowohl für die außergerichtliche Forderungsbeitreibung, das gerichtliche Mahnverfahren sowie die Inkassotätigkeit nach Titulierung einer Forderung.
  • Bei Doppelbeauftragung von IKU und RA können nur einmal die Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden (§13f RDG)
  • Einführung einer neuen Wertstufe im Vergütungsverzeichnis zu § 13 RVG (VV-RVG) für „Bagatellforderungen“ bis 50 €: Hier gilt eine von 49 € auf 30 € abgesenkte Eckvergütung (1,0xRVG) bei der Inkassogrundvergütung.
  • Vergütungsdreiklang bei der Inkassogrundvergütung (Nr. 2300 VV-RVG):
    – 0,5-fach für „Schnellzahler“, die nach der ersten Inkassomahnung zahlen,
    – 0,9-fach als Vergütung für den Inkasso-Regelfall
    -1,0 – 1,3-fach als Ausnahme für „besonders schwierige“ und/oder „besonders umfangreiche“ Inkassofälle
  • Vergütung für Ratenzahlungsvereinbarungen (Nr. 1000 Abs. 2 VV-RVG):
    – 0,7-fache Vergütung aus 50% des Gegenstandswertes (=Hauptforderung, zzgl. der aufgelaufenen Kosten und Zinsen)
  • Gerichtliches Mahnverfahren (Nrn. 3005/3008 VV-RVG): Wegfall der bisherigen 25 €-Pauschale, Inkassodienstleister können Kosten wie Rechtsanwälte im gerichtlichen Mahnverfahren geltend machen.
  • Nachgerichtliches Inkasso (Vollstreckungsinkasso): Gesetzgeberische Klarstellung, dass im nachgerichtlichen Inkassoverfahren keine (erneute) Inkassogrundvergütung fällig wird. Es gilt ausschließlich § 788 ZPO. Für notwendige Maßnahmen (§ 91 ZPO) kann eine 0,3-fache Vergütung in Rechnung gestellt werden (Nr. 3309 VV-RVG). Der Abgeltungsbereich der Vergütung reicht von der Ankündigung bis zum Abschluss der Maßnahme. Hierzu siehe auch unseren Beitrag „Erfolgreiche BDIU-Beschwerden über Creditreform-Unternehmen„.

Eine dreiteilige Tabelle mit den Anwalts-/Inkassovergütungen gemäß RVG-2008, RVG-2013 und RVG-2021 untergliedert nach Gegenstandswerten sowie den üblichen Vergütungsstufen laut VV-RVG ist im „Praxishandbuch Schuldnerberatung“, 30. Auflage 2021 abgedruckt. Einen empfehlenswerten RVG-Rechner gibt es auch als App im Play Store von Google in einer kostenlosen (RVG-Rechner) und einer kostenpflichtigen, erweiterten Version (RVG+-Rechner).

Als weitere „Großbaustellen“ im Inkassorecht bleiben:

  • das Konzerninkasso: Hier ist eine Musterfeststellungsklage des vzbv beim Hanseatischen OLG anhängig, so dass hier über kurz oder lang Klarheit hergestellt wird, ob Schuldner*innen in diesen Fällen Inkassovergütungen schulden
  • der „fiktive Schadensersatz„: Inkassodienstleister umgehen mit zweifelhaften Rechtskonstruktionen den schadensersatzrechtlichen Grundsatz, dass vom säumigen Schuldner*in nur der konkret entstandene Schaden ersetzt werden muss und bieten so teilweise ihre Leistungen im Internet für Gläubiger kostenfrei an
  • die Zentralisierung der Inkasso-Aufsicht. Der Bundestag hat der Bundesregierung einen klaren Auftrag erteilt, bis zum 30.03.2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen
  • Evaluierung des VVInkG: Eine Beurteilung des neuen Inkassorechts soll im Jahr 2023 erfolgen.

Code of Conduct der Inkassobranche

Am 01.10.2021 ist auch der „Code of Conduct für das Forderungsmanagement“ des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in Kraft getreten.

In dieser freiwilligen Selbstverpflichtung der Mitgliedsunternehmen des BDIU wird ergänzend zum VVInkG der gesamte Ablauf der Inkassotätigkeit (von der Auftragsannahme bis zum Beschwerdemanagement) aus dem Blickwinkel der Inkassowirtschaft bis ins Detail geregelt.

AK InkassoWatch und BAG Schuldnerberatung kritisieren, dass die freiwilligen Verpflichtungen, die ohnehin nur für Mitgliedsunternehmen Geltung haben, kaum über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Sie referierten sie lediglich und spiegeln die dazugehörende Rechtsprechung  wider. In einzelnen Punkten bleiben sie dahinter sogar zurück. 

Fazit

Insgesamt wurde mit dem neuen Recht ein erheblich engerer Kostenrahmen als bisher für die verschiedenen Inkassotätigkeiten normiert. Dies führt zu niedrigeren Inkassovergütungen als sie bisher üblich waren. Auch Unklarheiten, die die Inkassowirtschaft zu ihren Gunsten ausgenutzt hat, wurden nun gesetzlich eindeutiger geregelt oder klargestellt (Doppelbeauftragung, RVG-Anlehnung, nachgerichtliches Inkasso).

Unverständlich ist, dass für „besonders schwierige“ oder „besonders umfangreiche“ Fälle eine Öffnungsklausel den Weg ins Gesetz gefunden hat, welche Inkassovergütungen bis zum (bisher allgemein üblichen) Maximalsatz von 1,3 x RVG zulässt. „Besonders schwierige“ Inkassofälle sind in der Praxis eigentlich kaum denkbar, da es um die Beitreibung unstrittiger Forderungen geht. Für die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispiele von „besonders umfangreicher“ Inkassotätigkeit sind ohnehin gesonderte Vergütungen vorgesehen (Zahlungsvereinbarung mit zweistelliger Ratenanzahl) bzw. für die entstandenen Auslagen müssen Schuldner ohnehin Schadensersatz leisten (mehrere Adressermittlungen).
Dass der Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen überhaupt eine – wenn auch zukünftig erheblich geringere – Vergütung auslöst, ist ebenfalls zu kritisieren: Diese Tätigkeit sollte bereits mit der Grundvergütung abgedeckt sein, denn der Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen mit einkommensarmen Schuldner*innen gehört zum Kerngeschäft der Inkassotätigkeit.

Obwohl einige Probleme im Gesetzesentwurf deutlich angesprochen wurden (Konzerninkasso, fiktiver Schadensersatz), werden sie dennoch nicht gesetzlich geregelt. Dies bleibt Aufgabe der Rechtsprechung.
Auch die Zentralisierung der Inkassoaufsicht bei einer Bundesbehörde (statt bei 36 Landesbehörden) war unisono eine Forderung aller Beteiligten einschl. des BDIU, die nun im nächsten Jahr nachgeholt werden muss.

Die Evaluierung des Gesetzes erfolgt bereits in zwei Jahren und bietet so die Chance, evtl. nochmals Änderungen vornehmen zu können. Diese Chance muss die Schuldnerberatung wahrnehmen. Die Evaluierung der inkassorechtlichen Regelungen aus dem „Gesetz gegen unseriöse Geschäfte“ war der Anstoß der jetzigen Gesetzesänderungen.

Ein positiver „Nebeneffekt“ der Diskussionen um Inkassorecht, Verbraucherinsolvenz und Pfändungsschutzkonto in der letzten Legislaturperiode des Bundestages war, dass die jahrelang geforderte ministerielle Zuständigkeit für die Schuldnerberatung endlich geschaffen wurde: Im BMJV wurde ein Referat eingerichtet, das sich mit Fragen der Schuldnerberatung befasst und derzeit Schritt für Schritt aufgebaut wird.

Materialien