Im Newsletter vom Dezember 2019 von Rechtsanwalt Kai Hennig findet sich eine interessante Entscheidung des OLG Brandenburg zur Haftung einer nach § 305 InsO anerkannten Schuldnerberatungsstelle für eine fehlerhafte Beratung.
Eine i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anerkannte Schuldnerberatungsstelle haftet für eine fehlerhafte unentgeltliche Beratung wie ein Rechtsanwalt. Im Regelfall haftet die Beratungsstelle und nicht der einzelne Berater, der die Beratung durchgeführt hat.
OLG Brandenburg Urt. 13.11.19 -4 U 38/19-
Anmerkung (von RA Hennig):
Dieses Urteil des OLG Brandenburg gehört zu den wenigen Entscheidungen, die bislang zur Haftung einer gem. § 305 Abs. 1 InsO anerkannten Schuldnerberatungsstelle ergangen sind. Im Vordergrund standen bislang eher größere Haftungsfälle bspw. eines Steuerberaters (Falschberatung zu bestehenden Lebensversicherungen und zur Altersvorsorge nach OLG Naumburg Urt. 17.1.2008 -1 U 74/07-) oder von Rechtsanwälten (unterlassener Antrag auf Restschuldbefreiung nach OLG Düsseldorf Urt. 2.8.12 -24 U 110/11- oder LG Erfurt Urt. 29.11.12 -3 O 1542/09-).
Nach dem in diesem Berufungsurteil etwas versteckt wiedergegebenen Sachverhalt hat ein Schuldner mit Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 5.000 € und Vermögen in Form von unbelastetem Immobilieneigentum im Wert von über 15.000 € eine gem. § 305 Abs. 1 InsO anerkannte Stelle aufgesucht und dort eine Schuldnerberatung erfahren. Der Berater hat außergerichtliche Verhandlungen geführt, die scheiterten. Anschließend wurde ein Insolvenzantrag gestellt. Im folgenden Insolvenzverfahren wurde die Immobilie verwertet. Aus dem Verwertungserlös wurden die Verbindlichkeiten beglichen. Der Insolvenzverwalter hat nach dem Wert der Insolvenzmasse eine Vergütung in Höhe von 11.399,56 € erhalten. Der -berechtigte- Vorwurf gegen den Schuldnerberater lautet, dass eine Zwangsversteigerung oder Verwertung der Immobilie ohne Insolvenzverfahren die Kosten der Insolvenzverwaltung vermieden hätte.
Es lässt sich damit eine Beratungssituation erkennen, die in der Praxis gar nicht selten auftritt, in der ein Immobilieneigentümer den Wert seiner Immobilie ignoriert oder verkennt und sich subjektiv für überschuldet hält, obwohl der Wert seiner Immobilie die bestehenden Verbindlichkeiten weit übersteigt. Eine Immobilie im Wert von 100.000 € mit einer Grundbuchbelastung in Höhe von 50.000 € stellt ein Vermögen in Höhe von 50.000 € dar. Liegen dann Verbindlichkeiten in Höhe von 25.000 € vor, die aus dem laufenden Einkommen nicht gezahlt werden können, besteht u.U. zwar ein Liquiditätsproblem, aber bei Betrachtung der Gesamtverhältnisse liegt immer noch ein Vermögen in Höhe von 25.000 € vor. Ein Insolvenzverfahren ist in einem solchen Fall der falsche, weil wirtschaftlich unsinnige Weg. Vielmehr ist die fehlende Liquidität durch eine weitere Belastung des Grundstücks oder seine Verwertung wiederherzustellen.
Die weiteren Feststellungen des OLG Brandenburg dürften im Wesentlichen unstreitig sein. Denn dass die Schuldnerberatungsstelle auch im Falle einer unentgeltlichen Beratung haftet, dass diese Haftung der eines Rechtsanwalt entspricht und dass die Beratungsstelle und nicht der jeweilige Berater haftet, wird in Kommentierung und Literatur nicht ernsthaft bezweifelt.
Haftungsfragen sollten aber unter Schuldnerberater/innen keine überzogenen Befürchtungen auslösen oder gar eine Schuldnerberatung als undurchführbar erscheinen lassen. Es sollten vielmehr einige Grundregeln beachtet werden, mit denen Fehler vermieden werden und die Beratungsstelle gegen mögliche Haftungen abgesichert wird. Jede Beratungsstelle sollte für Ihre Berater/innen -wie jeder Rechtsanwalt- eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abschließen, da Fehler einfach auch bei größter Sorgfalt vorkommen können. Sachverhalte sollten gründlich und umfassend aufgeklärt werden, wenn die Schuldnerberatungsstelle zu ihnen berät. Der Wert einer Immobilie eines Schuldners muss daher ermittelt werden oder dem Schuldner muss zumindest verdeutlicht werden, dass der Wert von wichtiger Bedeutung für das Verfahren ist. Schließlich muss auch in der Verbraucherinsolvenz wirtschaftlich gedacht werden. Die Entschuldung des Betroffenen muss daher auf dem für ihn auch finanziell am wenigsten belastenden Weg erfolgen.