Inkassounternehmen machen gegen Schuldnern in der Regel Inkassokosten geltend, die diese im Rahmen des Schadensersatzrechtes zu ersetzen haben. Rechtsgrundlage dafür sind die §§ 286 und 288 BGB.
Die meisten Inkassofirmen orientieren sich an den Gebühren, die Rechtsanwälte geltend machen können und fordern in der Regel Kosten in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach den Vergütungsvorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein. Für eine Forderung bis zu einer Höhe von 500 € betragen diese 70,20 €.
Ein Gläubiger kann Inkassokosten, unabhängig von der Frage, in welcher Höhe sie angemessen sind, nur dann vom Schuldner ersetzt verlangen, wenn er nachweist, dass er aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Inkassounternehmen verpflichtet ist diese Kosten zu zahlen oder diesen Betrag tatsächlich gezahlt hat. Ohne Zahlung also kein Schadensersatz!
Wie kann es dann aber sein, dass auf Webseiten von Inkassofirmen ausdrücklich damit geworben wird, dass für den Gläubiger keine Kosten entstehen? Kann es sein, dass ein wirtschaftlich denkender Gläubiger tatsächlich 70,20 € an ein Inkassounternehmen gezahlt hat, wenn die Hauptforderung zum Beispiel nur 19,99 € beträgt?
Durch einen Aufsatz von Dr. Malte Hartmann (ZRP 2020, S. 12), eine Entscheidung des AG Esslingen aus dem Jahr 2018 ( AG Esslingen, Urteil vom 18.05.2018 – 5 C 234/181, VuR 09/2018, 354), aber auch im aktuellen Referentenentwurf des „Gesetzes zum Verbraucherschutz“ rückt die Frage des sog. Verzugsschadens verstärkt in den Mittelpunkt. Selbst der Bundesgerichtshof hat in einer strafrechtlichen Entscheidung vom März 2019 ausgeführt, dass eine Geltendmachung von im Innenverhältnis nicht geschuldeten, aber im Außenverhältnis behaupteten Inkassovergütungen eine betrugsrelevante Täuschung darstellt (BGH, NJW 2019, 1759, Rn. 15, 23ff.).
In seinem Aufsatz stellt Hartmann überzeugend dar, dass die üblichen Inkassovereinbarungen regelmäßig keinen Anspruch auf den behaupteten Verzugsschadensersatz begründen können.
Weit verbreitet sei die Vereinbarung von Erfolgshonoraren sowie die „Abtretung des Anspruchs auf Erstattung einer vereinbarten RVG-Vergütung an Erfüllung statt„. Bei beiden Konstrukten sei von vorneherein klar, dass die Schadensersatzforderung rein fiktiv bleibt und „dem Gläubiger unter keinen Umständen in Rechnung gestellt werden wird“. Vertraglich ist gewährleistet, dass der Gläubiger die vereinbarten Rechtsverfolgungskosten „auch bei gescheiterter Einziehung in keinem einzelnen Fall tatsächlich zu tragen hat“. Insoweit fehle es dann an einer realen Vermögenseinbuße, „da sich der Gläubiger der Belastung mit der Verbindlichkeit einer Inkassovergütung durch die Erfüllungsabrede in derselben Vereinbarung … zugleich wieder entledige.“ Die rein formal vereinbarte, aber sogleich an Erfüllung statt abgetretene Inkassovergütung stelle sich als rein fiktive Schadensposition dar.
Auch der Referentenentwurf des „Gesetzes zum Verbraucherschutz im Inkassorecht“ greift diese Thematik auf und führt aus: „Da Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte und Inkassodienstleister in Anbetracht des § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB in Bezug auf die durch ihre Einschaltung entstandenen Kosten nur den ihrem Auftraggeber tatsächlich entstandenen Schaden geltend machen dürfen, dürfen sie den Schuldnern eigentlich nur solche Beträge in Rechnung stellen, deren Ausgleich zwischen ihnen und dem Gläubiger auch wirklich vereinbart wurden; anderenfalls dürfte sich die Forderung auf Ersatz eines tatsächlich nicht entstandenen Schadens als Betrug darstellen. Wie diese Vorgaben im Fall einer vollständigen Pauschalierung der Vergütungsvereinbarung eingehalten werden, ist kaum erkennbar. Allerdings kann eine rechtswidrige Geltendmachung auch relativ leicht dadurch umgangen werden, dass zwischen Gläubiger und Rechtsanwältin, Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister zwar eine Vergütungsvereinbarung auf der Basis des RVG getroffen wird, jedoch zusätzlich vereinbart wird, dass die Rechtsanwältin, der Rechtsanwalt oder der Inkassodienstleister im Fall eines erfolglosen Forderungseinzugs die geltend gemachte Kostenforderung an Erfüllungs statt annimmt.“
Trotz dieser Erkenntnis sieht der Referentenentwurf unverständlicherweise keinen Regelungsbedarf in dieser Frage, obwohl sogenannte Umgehungsgeschäfte in der Regel nichtig sind. Hier bedarf es nach Ansicht des AK InkassoWatch und der BAG Schuldnerberatung dringend einer Korrektur bzw. ergänzender Regelungen. Wenn – wie im Referentenentwurf ausdrücklich feststellt wird – eine „rechtswidrige Geltendmachung von Inkassokosten vorliegt, müssen auch notwendige Maßnahmen ergriffen werden, um Umgehungsstrategien zu verhindern.“ In ihrer Stellungnahme schlagen sie deshalb vor, Inkassounternehmen im Rahmen ihrer Informations- und darlegungspflichten zur Vorlage der Vergütungsvereinbarung verpflichtet werden, um sicherzustellen, dass nur die tatsächlich anfallenden, im Rahmen des Verzugsschadens nach § 286 BGB erstattungsfähigen Aufwendungen des Gläubigers in Rechnung gestellt werden. Eine solche Regelung hatte auch die Verbraucherschutzministerkonferenz schon 2018 vorgeschlagen.
Auch Hartmann zieht das Fazit, dass „die schadensrechtliche Grundlage von vermutlich mehreren hundert Millionen Euro Inkassogebühren, die von Verbrauchern jährlich gezahlt werden, überprüft werden sollte, ist überfällig.“ Der Gesetzgeber ist also dringend aufgefordert, an diesem Punkt nachzubessern.
Aus schuldnerberaterischer Sicht sollte die Frage der „fiktiven“ Inkassokosten bei der Forderungsüberprüfung verstärkt in den Fokus genommen werden. Hier bietet es sich an, Inkassokosten zunächst vorläufig zu bestreiten, bis das Inkassounternehmen dargelegt hat, dass die geforderten Inkassokosten auch tatsächlich gezahlt wurden. Gfs. sollten im gerichtlichen Mahnverfahren entsprechende Teilwidersprüche bzw. -einsprüche eingelegt werden. Auch im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bietet es sich zumindest an, diese Kosten im Antrag besonders zu kennzeichnen und zu erläutern, damit Insolvenzverwalter bei der Forderungsfeststellung entsprechende Prüfungen vornehmen (können).