4. Juni 2024

Gemeinsam mit dem iff hat der vzbv am Dienstag ein Gutachten veröffentlicht, das Perspektiven für den Verbraucherschutz bei der nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie aufzeigt.

Das Gutachten stellt grundsätzlich fest, dass die Richtlinie Kreditgeber*innen konkret verpflichtet, die individuellen Einnahmen und regelmäßigen Ausgaben von Verbraucher*innen zu betrachten. Dabei besteht allerdings ein Interpretationsspielraum, der zu einer reinen Einkommensbetrachtung bei der Vergabe von Mini- und Kurzzeitkrediten führen kann – ohne die Ausgaben der Kreditnehmer*innen zu berücksichtigen. Die mögliche Folge: Kreditgebende Finanzdienste setzen die Kreditrate zu hoch an. Überschuldung wäre erneut die Folge.

Das Gutachten sieht die Datenverarbeitung von Kontoinformationen als notwendig an. Um Überschuldungs- und Datenschutz gleichermaßen zu berücksichtigen, schlägt das Gutachten allerdings vor, dass die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung durch ein strenges Verarbeitungsverbot von sensiblen Verbraucherdaten ergänzt werden sollte.

„Kredite können Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, Vorhaben wie einen Auto- oder Küchenkauf zu realisieren oder finanzielle Engpässe zu überbrücken. Wir beobachten jedoch, dass Banken immer wieder Kredite vergeben, die für Verbraucherinnen und Verbraucher in der finanziellen Überforderung oder Überschuldung enden“, sagt Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzmarkt beim vzbv. „Die gestiegenen Kosten in den vergangenen Monaten haben Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer bei der Tilgung eines Kredites weiter unter Druck gesetzt.“

Insbesondere Kredite unter 1.000€ und die sogenannten Buy Now Pay Later-(BNPL)-Produkte haben sich 2023 gegenüber 2022 auf 3,8 Millionen Verträge beinahe verdoppelt. Bei in einer Online-Befragung des vzbv (nicht nur zu Kleinkrediten/BNPL-Angeboten) gaben 19 Prozent an, dass sie wegen gestiegener Lebenshaltungskosten Probleme haben, ihren Kredit zu tilgen. Bei den unter 30-jährigen ist es knapp jede*r Dritte (31 Prozent).

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, die anstehende Reform bei der Kreditvergabe dafür zu nutzen – und das nationale Gesetz entsprechend zu getalten – Verbraucher*innen besser vor Überschuldung zu schützen. „Die Kreditwürdigkeitsprüfung muss so gestaltet werden, dass bei jeder Art von Verbraucherkrediten das individuelle Einkommen und die regelmäßigen Ausgaben geprüft werden“, forderte Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzmarkt vzbv am Dienstag in Berlin. Dabei müssten jedoch die sensiblen Daten geschützt werden.

Die vergangenen November in Kraft getretene EU-Verbraucherkreditlinie sieht vor, dass die Regeln bei der Kreditvergabe in Zukunft auch für die Kleinkredite und BNPL-Angebote gelten sollen. Auch hier müsen Kreditgeber die Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend über alle Aspekte des Kredits informieren.

Die bisherigen Gesetzeslücken beispielsweise bei Krediten unter 200 Euro oder einer Laufzeit von unter drei Monaten sollen geschlossen werden. Der Bund hat nun bis November 2025 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Der vzbv sieht bei Minikrediten und Kurzzeitkrediten ein erhöhtes Überschuldungsrisiko und forderte, das bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Es müsse festgelegt werden, dass Laufzeit, Höhe und Risiko eines Kredits in ein „angemessenes Verhältnis“ gesetzt werden. Zudem müsse bei der Vergabe überprüft werden, welche Forderungen aus anderen Kreditverträgen bereits bestehen.

Um die Kreditwürdigkeit zu überprüfen, sollten zusammengefasste Kontoinformationen bereitgestellt werden. Ein Kontoeinblick sei dafür zwar ein mögliches Mittel, dort hat der vzbv allerdings „datenschutzrechtliche Bedenken“. Er gebe Zugriff auf „sehr persönliche Informationen über Kaufverhalten und Lebensführung“ und es bestehe die Gefahr, dass Kreditentscheidungen nicht nur anhand der Ein- und Ausgaben sondern auch anhand der Daten erfolgen, die Aufschluss über höchstpersönliche Informationen geben könnten.

Der vzbv fordert u.a.:

  • Im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung sollen Banken für alle Kreditarten das Einkommen und die regelmäßigen Ausgaben von Verbraucher*innen prüfen müssen. Auch bei Minikrediten müssen bestehende Forderungen aus anderen Kreditverträgen berücksichtigt werden.
  • Vor der Verarbeitung der Kontoinformationen sollen die Daten von der kontoführenden Bank zum Schutz von sensiblen Verbraucherinformationen in Kategorien zusammenfassen.
  • Die Kreditentscheidung soll nachvollziehbar dargestellt werden müssen.
  • Flexible Rückzahlungskonditionen sollen für Verbraucher*innen in finanziellen Krisensituationen verpflichtend angeboten werden müssen.

Leider enthalten die politischen Forderungen des vzbv keinen Hinweis auf Art. 36 der Verbraucherkreditlinie, die dazu führen soll, dass die Schuldenberatungsdienste ab 20.11.2026 effektiv genutzt werden können und im Alltag garantiert ist, dass diese Dienste in überschaubarer Zeit, also insbesondere bei akutem Beratungsbedarf regelmäßig innerhalb weniger Tage, wohnortnah und in voller Unabhängigkeit insbesondere von Kreditgebern zur Verfügung stehen (s. diesen Beitrag).

Über die Pressemeldung des vzbv erhalten Sie auch Links auf weitere Informationen:

  • Kurzpapier: Überschuldungs- und Datenschutz in der Kreditvergabe
  • Untersuchung der vzbv-Marktbeobachtung unter Schuldenerberatungen in Deutschland zu Ver- und Überschuldungsgründen in Deutschland
  • Kreditwürdigkeitsprüfung – zwischen Überschuldungs- und Datenschutz (Gutachten zu Perspektiven zur nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie)
  • Positionspapier des vzbv mit Vorschlägen für einen wirksamen Schutz vor Überschuldung und einer ausufernden Datenverarbeitung im Rahmen der nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie