RA Kai Henning, Dortmund *)
Ein Inkassodienstleister ist gem. § 174 Abs. 1 S. 3 InsO berechtigt, einen Gläubiger im Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung zu vertreten.
AG Coburg Beschl. vom 5.2.16 -IK 242/14-
Ein Inkassounternehmen ist nicht zur Stellung eines Restschuldbefreiungsversagungsantrag befugt.
AG Göttingen Beschl. 15.7.16 -71 IK 111/10-
ebenso AG Bochum Beschl.19.8.16 -88 IK 1301/15- nicht veröffentlicht
Entscheidungsgründe AG Coburg in Auszügen:
… Entgegen den Ausführung des Beschwerdeführers ist es nicht so, dass die … nicht als Gläubigervertreterin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung hätte stellen dürfen. Dieser Antrag ist in zulässiger Weise gestellt worden. Vielmehr verhält es sich so, dass nach der Neufassung des § 305 Abs. 4 Insolvenzordnung mit Wirkung vom 01.07.2014 allgemein, also für die Vertretung des Gläubigers, § 174 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung entsprechend gilt (§ 305 Abs. 4 Satz 2 Insolvenzordnung). Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung sind zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes). …
Entscheidungsgründe AG Göttingen in Auszügen:
… Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist unzulässig. …Inkassounternehmen sind im eröffneten Verfahren gemäß § 174 Abs. 1 S. 3 InsO zur Vertretung von Gläubigern bei der Forderungsanmeldung gemäß §§ 174 ff. InsO befugt. Weiter sind sie befugt, Gläubiger im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren zu vertreten. Dies folgt aus dem zum 01.07.2008 eingefügten Verweis auf § 174 Abs. 1 S. 3 InsO in § 305 Abs. 4 S. 2 InsO (HK-Waltenberger § 305 aF Rz. 66). Zur Vertretung von Gläubigern im eröffneten Verfahren und im Restschuldbefreiungsverfahren sind sie hingegen nicht befugt. Dies ist in der Rechtsprechung (AG Köln, Beschluss vom 14.11.2012 – 72 IN 336/06, NZI 2013,149 = ZVI 2013, 166) anerkannt für die bis zum 30.6.2014 beantragten Verfahren wie im vorliegenden Fall. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Neufassung des § 305 Abs. 4 InsO für die ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren nichts geändert hat (AGR-Henning § 305 RZ. 68; Karsten Schmidt/Stephan § 305 Rz. 57; a. A. AG Coburg, Beschluss vom 5.2.2016 – IK 242/14, ZVI 2016, 140; Uhlenbruck/Sternal § 305 Rz. 138). Erweitert worden ist die Vertretungsbefugnis der Schuldnerberatungsstellen durch Streichung der Einschränkung „in Verfahren nach diesem Abschnitt“ in § 305 Abs. 4 InsO. Der Gesetzgeber hat allein die Erweiterung der Vertretungsbefugnis der Schuldnervertreter als praktisches Bedürfnis empfunden (Begr. RegE, BT-Drs. 17/11268, 34). …
Anmerkung
Gläubiger lassen sich außergerichtlich häufig von Inkassounternehmen oder Rechtsanwälten vertreten. Die anwaltliche Vertretung auch im gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren ist ohne weiteres nach den allgemeinen Regeln der ZPO zulässig. Inkassounternehmen sind grundsätzlich gem. § 10 RDG nur zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen berechtigt. Gem. den im Jahre 2007 neugefassten §§ 174 Abs. 1 und 305 Abs. 4 können sie im Insolvenzverfahren Gläubiger bei der Forderungsanmeldung und im Schuldenbereinigungsplanverfahren vertreten. Die beiden hier wiedergegebenen und sich widersprechenden Entscheidungen verdeutlichen eine aktuelle Unsicherheit in der Auslegung des § 305 Abs. 4 InsO, der in seiner ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung anerkannten Schuldnerberatungsstellen die Befugnis zur Vertretung des Schuldners im gesamten Verfahren gegeben hat.
Haben nun quasi als Gegenstück zur neuen Befugnis der Schuldnerberatungsstellen auch Inkassounternehmen die Befugnis zur Vertretung im gesamten Insolvenzverfahren und damit auch im Verfahren über die Erteilung der Restschuldbefreiung? Der Gesetzesbegründung lässt sich eine Antwort nicht entnehmen. Der Wortlaut des § 305 Abs. 4 InsO „ gilt … entsprechend“ trägt beide Ansichten. Im Rahmen der zivilprozessual nach meiner Ansicht stets gebotenen „Waffengleichheit“ halte ich es für angemessen, eine Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen im gesamten Insolvenzverfahren anzunehmen (so auch Uhlenbruck/Sternal 14. Aufl. § 305 Rdnr. 138).
Bis diese Frage abschließend geklärt ist, sollte sich der Schuldner natürlich im Fall des von einem Inkassounternehmen gestellten Versagungsantrags immer auf die Unzulässigkeit dieses Antrags berufen. Folgt das Gericht dieser Ansicht, kann der Gläubiger selbst den Versagungsantrag nach dem Schlusstermin nicht mehr nachholen. Der Versagungsantrag ist dann unzulässig und die Restschuldbefreiung ist zu erteilen.
*) Rechtsanwalt Kai Henning
Hamburger Str. 89, 44145 Dortmund
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