In einem lesenswerten Positionspapier fasst ein Bündnis aus Verbraucherzentralen, vzbv und weiteren Verbraucherverbänden die Problematiken der aktuellen Inkassoregelungen, deren Handhabung durch die IKU und den bereits deutlich gewordenen Reformbedarf der erst 2021 in Kraft getretenen Regelungen prägnant zusammen und formuliert nötige Korrekturen. Die Einleitung und die Forderungen im Überblick:
„Überhöhte Inkassokosten sind ein häufiges Ärgernis für Verbraucher:innen und können besonders für einkommensschwache und überschuldete Menschen zu einer echten Bedrohung werden. Die derzeitigen Regelungen zu Höchstsätzen von Inkassokosten zementieren die soziale Schieflage. Die geltend gemachten Inkassokosten stehen insbesondere beim Masseninkasso in keinem Verhältnis zum Aufwand. Zudem werden die Menschen durch die Androhung von Lohn- und Gehaltspfändungen oder Hausbesuchen zur Pfändung von Wertsachen, ohne dass ein vollstreckbarer Titel vorliegt, in eine Drucksituation gebracht.
Der Gesetzgeber hat, zuletzt mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (im Folgenden: Inkasso-Reform), versucht, die strukturellen Machtunterschiede abzumildern. Die an diesem Positionspapier beteiligten Akteure sind der Auffassung, dass weiterer verbraucherpolitischer Handlungsbedarf besteht, denn die strukturellen Probleme bestehen fort.
Neben vielen weiteren stehen zwei grundlegende Probleme besonders im Fokus: Erstens das dem Inkasso zugrundeliegende Dreiecksverhältnis mit dem damit einhergehenden Problem möglicher fiktiver Schadenspositionen sowie zweitens das Phänomen „Masseninkasso“.
Die Forderungen des Bündnisses lauten:
- „Inkassodienstleister müssen verpflichtet sein, den konkreten Schaden, also die vom Gläubiger an den Inkassodienstleister geleistete Zahlung, offenzulegen.
- Für Inkassokosten bedarf es eines klaren gesetzlichen und einfach verständlichen Kostenrahmens losgelöst von der Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Der festgestellte jeweilige Aufwand pro Fall, insbesondere in Fällen von Masseninkasso, ist bei der Festlegung der Höchstkosten zu berücksichtigen.
- Das Bundesministerium der Justiz ist aufgerufen, ein entsprechendes Gremium zur Entwicklung einer alternativen Kostenregelung unter Beteiligung von Verbraucherschutzorganisationen zu schaffen.
Für Inkassoschreiben müssen festgelegte Darstellungsvorschriften gelten. Langfristig betrachtet sollten Inkassoschreiben so standardisiert sein, dass Verbraucher und Verbraucherinnen sie niedrigschwellig mit technischer Unterstützung beispielsweise über ein Tool der Verbraucherzentralen überprüfen können. - Die Verletzung von gesetzlichen Pflichten durch die Inkassodienstleister muss mit klaren verbraucherschützenden Rechtsfolgen belegt werden. Zahlungen sollten
nur bei vollständiger Erfüllung der Pflichten verlangt werden dürfen. Bereits geleistete Zahlungen müssen Verbraucher:innen zurückfordern dürfen. Bei unvollständiger Aufklärung über die Folgen von Zusatzvereinbarungen (wie Ratenzahlungsvereinbarungen) dürfen Inkassodienstleister aus diesen nicht vorgehen. - Für den Fall, dass kein eigener Kostenrahmen geschaffen werden sollte, müssen unbestimmte Rechtsbegriffe und Auslegungsspielräume durch unzweideutige Regelungen ersetzt werden. Die Öffnungsklausel aus Nr. 2300 Vergütungsverzeichnis RVG muss gestrichen werden.
- Die neue zentrale Aufsicht muss in einer Hand liegen und fachlich, organisatorisch und personell so gut ausgestattet sein, dass sie
- proaktiv, auch bereits bei Verdachtsfällen, tätig werden kann
- (laufende Beschwerdeverfahren und Entscheidungen trasparent macht und
- dadurch zur Selbstbefähigung von Verbraucher:innen beiträgt.“
Das gesamte Positionspapier des Bündnisses finden Sie hier.
Siehe auch diesen Beitrag zur Musterfeststellungsklage beim OLG Hamburg (Entscheidung vom 15.6.23 -3 MK 1/21) gegen den EOS Konzern in Sachen Konzerninkasso und darüber hinausgehend zur Problematik von fiktiven Inkassokosten.
Ebenso lesenswert: Butenob, Aufsatz Zur Problematik der Erstattungspflicht „fiktiver Inkassokosten“ in der ZVI 2023, 317 mit wichtigen Hintergründen zur Entscheidung des OLG Hamburg . Er zeigt auch die praktischen Auswirkungen der Entscheidung für die Schuldner- und Insolvenzberatung auf. ZVI 2023, 317