6. Februar 2018

                                        

AK InkassoWatch und Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung warnen vor einer vermeintlichen Lösung aus der Inkassobranche

Den meisten Schuldnerberatungsstellen ist bestens bekannt, dass die Inkassobranche immer wieder kreative Ideen produziert, um Forderungen beizutreiben und ebenso kreativ ist, Kosten zu generieren.

So auch aktuell das Inkassounternehmen KOHL GmbH & Co. KG. Sie schreibt unter dem Logo „Wir haben die Zahlungsalternative“ und dem Betreff „ Alleinerziehende – Kindesunterhalt – Unterhaltstitel und trotzdem kein Geld?“ gezielt Schuldnerberatungsstellen bundesweit an, um sie zur Zusammenarbeit für eine ganz neue Idee der Forderungsbeitreibung zu gewinnen.

Ziel dieser Aktion soll laut einem Schreiben des IKUs sein, „Alleinerziehenden eine Möglichkeit zu schaffen, eigene offene Rechnungen zu zahlen – nämlich durch die Teilabtretung von offenen Unterhaltsansprüchen“. In den vorliegenden Fällen handelt es sich um Rückstände aus Kabel-TV-Verträgen.

Zur Umsetzung dieser Idee sollen Schuldnerberatungsstellen zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Es wird angekündigt, dass sich eine Mitarbeiterin von KOHL telefonisch mit den betreffenden Schuldnerberatungsstellen in Verbindung setzen wird, „um Sie nach Ihrer Beurteilung zu fragen“. KOHL hat nach eigenen Angaben bereits 60 Schuldnerberatungsstellen in ganz Deutschland entsprechend kontaktiert.

Laut der dem Schreiben beigefügten Anlagen und Flyer soll der/die Schuldner/in gemeinsam mit der Schuldnerberatungsstelle eine Checkliste mit relevanten Angaben (u.a. zum Unterhaltsverpflichteten, zur Höhe des Unterhaltes, zur Höhe des Rückstandes) ausfüllen und mit den entsprechenden Unterlagen (z.B. Unterhaltstitel) an das Inkassounternehmen senden. Dieses prüft die Unterlagen. Sofern die Unterhaltsansprüche noch nicht in voller Höhe abgetreten sind und eine Anschriftenprüfung des Unterhaltsschuldners positiv verläuft,  wird ein Abtretungsformular an die Schuldnerberatungsstelle versandt, welches die Schuldnerin unterschreibt. Nach Annahme der Abtretung durch KOHL erfolgt eine Erledigungsbestätigung der an die Alleinerziehende gerichteten Forderung durch die KOHL GmbH,  denn die Abtretungsannahme erfolgt an Erfüllung statt.

Rechtlich gesehen sind laufende und rückständige Unterhaltsansprüche gem. § 850b Abs. 1 Ziffer 2 ZPO grundsätzlich unpfändbar und demzufolge gemäß § 400 BGB auch nicht abtretbar.

Zielsetzung des § 400 BGB ist es, dem Gläubiger der unpfändbaren Forderung die Lebensgrundlage nicht gänzlich zu entziehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 400  Rn. 1).

Eine ausdrückliche Ausnahme von dieser Regel wurde bisher lediglich in einem Fall vom OLG Bremen angenommen (Beschluss vom 11.10.2001, 4 U 20/01, NJW-RR 2002, 361). Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet: „Unterhaltsansprüche sind grundsätzlich unpfändbar und damit unabtretbar. Das gilt ausnahmsweise nicht für Ansprüche auf rückständigen Unterhalt, wenn der Unterhaltsberechtigte vom Abtretungsempfänger den vollen Unterhalt erhalten hat“. Danach konnte in diesem konkreten Fall der rückständige Unterhalt an die Mutter abgetreten werden, weil diese das Kind unterhalten hat.

Ansonsten kann eine Einschränkung des § 400 BGB nur vorgenommen werden, wenn „der Zessionar seinerseits dem Zedenten die Leistungen erbringt, deren Erhalt das Pfändungsverbot sicherstellen will“ (MüKo/Roth/Kieninger; BGB, 7. Aufl. 2016, § 400 Rn. 7). Dies ist  bei Konsumschulden, wie sie typischerweise von Inkassounternehmen beigetrieben werden, nicht der Fall. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit Unterhaltsschulden, die der Sicherung der Lebensgrundlage dienen.

Abgesehen von dieser rechtlichen Beurteilung ist besonders perfide, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes laut Flyer der KOHL GmbH nicht nur in Höhe des Rückstandes aus dem Kabelanschlussvertrag der Mutter (sicherlich incl. [überhöhter?] KOHL-Inkassovergütung usw.) an Erfüllung statt abgetreten werden soll, sondern zusätzlich auch in Höhe einer (nicht näher bestimmten) weiteren Inkasso-/RA-Gebühr zur Rechtsdurchsetzung gegen den Unterhaltspflichtigen. Das heißt, KOHL will sich bezüglich seiner Kosten in zweifacher Hinsicht aus dem Kindesunterhalt bezahlen lassen und verkauft dies als Fürsorge/Hilfe für Alleinerziehende.

Fazit: Wir – der AK InkassoWatch, die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und der Infodienst Schuldnerberatung – warnen Schuldnerberatungsstellen ausdrücklich davor, bei diesem rechtlich bedenklichen „Deal“ der KOHL GmbH mitzuwirken! Alleinerziehende Klientinnen sollten dahingehend beraten werden, sich nicht auf das rechtlich und moralisch fragwürdige Ansinnen des Inkassounternehmens einzulassen.

Auch der Bund Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) prüft auf Beschwerde aus der Schuldnerberatung hin, inwieweit dieses Unterhalts-Abtretungskonstrukt mit den Verbandsgrundsätzen vereinbar ist.