15. Januar 2025

Der Bericht zu Struktur und Aufgabenstellungen der Sozialen Schuldnerberatung der Liga-BW beruht auf einer jährlichen Umfrage, welche sich an alle Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen unter dem Dach der Liga-Verbände in Baden-Württemberg richtet. Die Erhebung für den aktuellen Bericht erfolgte im Frühjahr 2024 mit Bezug auf das Berichtsjahr 2023.

Bedarfe steigen und verändern sich

Soziale Schuldnerberatung hat sich im Zuge der letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge und Armutsprävention im Land entwickelt. Dieses Beratungsangebot ist für immer mehr Menschen relevant und noch vielmehr: Es ist essenziell, um Betroffenen in Überschuldungssituationen wieder gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Anhaltende Teuerungen haben erhebliche ökonomische und soziale Auswirkungen. So belasten gestiegene Lebenshaltungskosten in Zeiten sich überlappender Krisen auch die Lebenslage von einer steigenden Anzahl von Bürger:innen in Baden-Württemberg. Durch hohe Mietbelastungsquoten verschärft sich das Risiko einer Überschuldung in besonderem Maße.

Soziale Schuldnerberatung ist mehr als ein bürokratischer Verfahrensablauf und fokussiert nicht nur auf Schuldenregulierung im engsten Sinne. Der Begriff impliziert die Zugrundelegung eines breiten, integrativen Handlungsansatzes und die Heranziehung fachlich fundierter Beratungsmethoden. Die Überschuldungssituation von Ratsuchenden wird individuell betrachtet – unter Berücksichtigung strukturell-gesellschaftlicher Bedingungen.

Umfang und Struktur der Liga-Schuldnerberatung

Im Umfragezeitraum im 1. Quartal 2024 haben 58 Schuldnerberatungsstellen der Liga-BW die Umfrage vollständig ausgefüllt. Dies entspricht einer Beteiligung von 63 Prozent. Alle Angaben im Rahmen der Berichterstattung zur Umfrage beziehen sich auf n = 58 und das Berichtsjahr 2023.

Im Berichtsjahr wurden 18.454 Klient:innen beraten. Hierbei erfolgte keine Unterscheidung zwischen Kurz- und Langzeitberatung. Im Jahr 2023 waren 164 hauptamtliche Mitarbeiter:innen mit insgesamt 101 (2022: 83) Vollzeitstellenanteilen bei den teilnehmenden Schuldnerberatungsstellen beschäftigt. 108 Ehrenamtliche engagierten sich in 25 Schuldnerberatungsstellen

Der Umgang mit Wartezeiten stellt die Schuldnerberatungsstellen vor eine große Aufgabe: 12 Prozent der an der Umfrage teilgenommenen Liga-Beratungsstellen arbeiten nicht (mehr) mit Wartelisten. Krisenintervention und existenzsichernde Maßnahmen werden als essenzielle Bestandteile der Schuldnerberatung immer bedeutsamer. Hier betrug die Wartezeit bei 83 Prozent (2022: 91 Prozent) bis zu einer Woche.

Es existiert keine einheitliche Finanzierungsgrundlage der Sozialen Schuldnerberatungsstellen der Liga-BW. Die Finanzierung setzt sich aus mehreren unterschiedlichen Bausteinen zusammen und ist in aller Regel nicht kostendeckend. Für einen Großteil der Beratungsstellen ist es erforderlich, das Angebot der Schuldnerberatung teilweise auch aus Eigenmitteln zu finanzieren (91 Prozent).

Im Rahmen der Umfrage gaben insgesamt 52 Prozent (2022: 41 Prozent) der teilnehmenden Schuldnerberatungsstellen an, über eine Möglichkeit der Onlineberatung zu verfügen bzw. diese anzubieten. Im Jahr 2023 wurden laut Umfrage 868 Personen online beraten (2022: 769).

Trotz der angespannten und nicht auskömmlichen Finanzierungslage gaben 27 der teilnehmenden Schuldnerberatungsstellen (47 Prozent) an, Prävention im Sinne von Bildungsarbeit anzubieten. Das Angebot konnte gegenüber dem Jahr 2022 ausgebaut werden (2022: 36 Prozent), was sicherlich zu einem Teil mit der Förderung von Präventionsangeboten für überschuldete Familien durch das Land Baden-Württemberg zusammenhängt.

Fachkräftegewinnung und -sicherung

Als Schwerpunkt des diesjährigen Berichts wurde das Thema Fachkräftegewinnung und -sicherung gewählt. Die Qualitätssicherung und -weiterentwicklung in der Sozialen Schuldnerberatung ist in entscheidendem Maße von ausreichenden personellen Ressourcen sowie der Fachkräftegewinnung, -haltung und -qualifizierung abhängig. Die Kooperation mit Hochschulen kann hier zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Während der akademischen Ausbildung können Einblicke in die Praxis in Form von Praktika (neue) Wege bahnen, um Interessierte für das spannende Handlungsfeld der Sozialen Schuldnerberatung zu begeistern und zu gewinnen. Knapp 30 Prozent der teilgenommenen Stellen gaben an, im Jahr 2023 Praktika angeboten zu haben. Über 70 Prozent können sich vorstellen künftig Praktikumsstellen anzubieten.

Um eine gute Qualität der professionellen Begleitung während der Einarbeitung neuer Mitarbeitenden in der Schuldnerberatung gewährleisten zu können, bedarf es ausreichender Fortbildungsangebote, Ressourcen (ggf. Freistellungen) erfahrener Kolleg:innen sowie Vernetzung und Kooperation mit anderen Schuldnerberatungsstellen.

Folgende sozialpolitische Impulse werden abgeleitet:

Finanzierung und Struktur: Bedarfsdeckender Ausbau und Förderung einer armutspräventiven Infrastruktur

Zugang und Rechtsanspruch: Gewährleistung eines gesetzlichen Rechtsanspruchs auf kostenfreie Schuldnerberatung für alle Bürger:innen und alle Zielgruppen

Qualitätssicherung und Fachkräfte: Umsetzung einer vom Land unterstützten Qualifizierungsoffensive und Einrichtung einer Landesfachberatungsstelle