Liebe Leserinnen und Leser!
Zur Rolle öffentlicher Gläubiger bei der Verschärfung von Überschuldungssituationen
- Auf ungefähr 570.000 minderjährigen Kindern (unglaublich: das sind über eine halbe Million) lastet eine Schuldenlast, weil es gegenüber den Eltern beim Jobcenter zu Rückforderungen gekommen ist.
- Seit dem Jahressteuergesetz 1996 ist das Kindergeld keine Sozialleistung mehr, sondern eine Steuerleistung. Das hat weitreichende Folgen: Wenn Sie Kindergeld zu Unrecht beziehen, ist das Steuerhinterziehung und somit eine Straftat. Die Ämter sind angehalten, Strafanzeigen zu stellen und kriminalisieren damit auch Personen, bei denen es aus Unwissen oder auch Unachtsamkeit zu Überzahlungen gekommen ist. Besonders pikant: Wenn Sie gleichzeitig noch Arbeitslosengeld 2 beziehen, haben Sie das Kindergeld überhaupt nicht erhalten, da es auf Ihre Leistung angerechnet wurde. Trotzdem sind Sie womöglich ein*e Straftäter*in und sollen zudem das Geld, das Sie überhaupt nicht bekommen haben, zurückbezahlen.
- Das Hauptzollamt lehnt bei offener KFZ-Steuer Vergleichsvorschläge ab, mit der Begründung: „Das Recht, ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen zu benutzen, geht mit dem Wissen der steuerpflichtigen Person einher, für das Fahrzeug KraftSt entrichten zu müssen“. Aha!
- „Trotz allem Verständnis für Ihre derzeitige finanzielle Situation kann ich leider nicht auf … den Zahlungsrückstand … verzichten. Die Forderung kann in Raten beglichen werden, diese sollten 10 Euro nicht unterschreiten“ ist die Antwort der Landesoberkasse Stuttgart auf den Antrag auf erneute Stundung der Verfahrenskosten für die abgeschlossene Insolvenz. Wohlgemerkt: Das Recht auf Stundung dieser Kosten ist gesetzlich geregelt.
Das sind nur einige wenige Beispiele für die unrühmliche Rolle öffentlicher Gläubiger bei der Verschärfung von Überschuldungssituationen. Neben den staatlichen Behörden gibt es weitere Akteure mit hoheitlichen Aufgaben, wie zum Beispiel die Krankenkassen und der Beitragsservice für den öffentlichen Rundfunk, die regelmäßig auf unseren Gläubigerlisten stehen. 64,6 % aller überschuldeten Personen haben Schulden bei öffentlichen Gläubigern oder beim Finanzamt (Quelle: Destatis, Erhebung 2020). Gleichzeitig verfügen öffentliche Gläubiger über ganz eigene Möglichkeiten des Forderungseinzugs. Sie haben eine eigene Gerichtsbarkeit, können Forderungen selbst titulieren, haben eigene Vollstreckungsbeamte, Aufrechnungsansprüche und vieles mehr.
Wie kann es aber sein, dass gerade die öffentliche Hand eine so enorme Rolle bei Überschuldungen spielt? Ist das nicht unsinnig und kontraproduktiv?
Wir werden uns diesem Thema in den nächsten Ausgaben mit unterschiedlichen Themen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zuwenden. Den Auftakt hierzu finden Sie in Form des Februar-Beitrags von Birgit Knaus, die sich ausführlich mit „Schulden von Minderjährigen bei der Bundesagentur für Arbeit“ beschäftigt.
Zum Jahreswechsel hat unsere Redakteurin Birgit Knaus den Verlag Informationsoffensive übernommen.
Die Ratgeber des Verlags sind für viele Kolleg*innen in der Beratung seit langem Teil ihres Beratungsalltags. Die Verlagsübernahme sichert deren Fortbestand! Vermutlich bekannt: Die Ratgeber sind einfach und verständlich geschrieben, praxisrelevant dargestellt und vermitteln sowohl Praktikern wie Betroffenen Fachwissen für Handlungsmöglichkeiten und Lösung der Problemkreise. Hilfe zur Selbsthilfe in einer ganz praktischen Form. Mit der neuen Website www.informationsoffensive.de können die Ratgeber einfach bestellt werden. Wir gratulieren und freuen uns mit unserer Kollegin!
Es grüßt herzlichst,
Ihre Redaktion Infodienst Schuldnerberatung