30. Juni 2017

Autor: Bernd Eckhardt, Nürnberg

Ursprünglich waren die Änderungen im Unterhaltsvorschussgesetz schon für Anfang des Jahres angekündigt worden. Schließlich wurden sie in einem Gesetzespaket zusammen mit der Neuregelung des Finanzausgleichs von Bund und Ländern nach einer weiteren Verschiebung am 1. Juni 2017 im Bundestag verabschiedet. Am 2. Juni 2017 stimmte der Bundesrat zu.

Auf Initiative des Bundesrats sind spezifische Regelungen für SGB II-Leistungsberechtigte geschaffen worden, die rechtlich äußerst fragwürdig sind. Die Intention, dass Anträge auf Unterhaltsvorschüsse bei Kindern ab 12 Jahren dann nicht zu stellen sind, wenn der Unterhaltsvorschuss ohnehin voll im SGB II angerechnet wird, kann zuerst grundsätzlich nachvollzogen werden. Der Gesetzgeber hat sich aber nicht darauf beschränkt, die Pflicht einen Unterhaltsvorschuss zu beantragen zu begrenzen, sondern hat das Recht der Antragstellung begrenzt.

Bevor ich ausführlich auf die Problematik des teilweisen Leistungsausschlusses von Kindern in SGB II-Haushalten eingehe, möchte ich zuvor die positive Erweiterung des Unterhaltsvorschusses darstellen.

Eine hilfreiche Synopse, die den geltenden Regelungen die entsprechenden geplanten Änderungen gegenüberstellt, findet sich auf der Webseite des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF): https://www.dijuf.de/tl_files/downloads/2017/DIJuF-Synopse_UVG-Gesetzesaenderung_2017.pdf

 

Unterhaltsvorschuss bis 18 Jahre – keine Begrenzung der Bezugsdauer

Ursprünglich sollte im Unterhaltsvorschussgesetz lediglich die Begrenzung der Bezugszeit auf die ersten 12 Lebensjahre und auf die Bezugsdauer von maximal 6 Jahren gestrichen werden. Der Unterhaltsvorschuss sollte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs möglich sein. Die Höhe sollte sich, wie bisher, rechnerisch an dem Mindestunterhalt nach § 1612a entsprechend der Altersstufe richten. Beides findet sich nun auch im endgültigen Gesetz, das am 1. Juli in Kraft tritt. Allerdings hat es der Gesetzgeber – wie ich weiter unten darstelle – nicht dabei belassen. Für die Höhe des jeweiligen Unterhaltsvorschusses ergeben sich die Beträge, die Sie der Tabelle entnehmen können.

Der Erweiterung des Unterhaltsvorschusses kann im Sinne der unterhaltsberechtigten Kinder nur zugestimmt werden. Das ist das Positive der Neuregelung. Der Bundesrat hat aber komplizierte Sonderregelungen für SGB II-Leistungsberechtigte vorgeschlagen, denen die Bundesregierung gefolgt ist.

Bevor ich auf diese Sonderregelungen eingehe, möchte ich kurz auf die Antragstellung eingehen. Da nun viele Kinder neu leistungsberechtigt werden, sollten rechtzeitig Anträge gestellt werden.

 

Rechtszeitige Antragstellung nicht versäumen!

Der Unterhaltsvorschuss wird auf Antrag erbracht. Der Unterhaltsvorschuss wird in der Regel ab dem Monat der Antragstellung gewährt. § 4 des Unterhaltsvorschussgesetzes regelt die beschränkte Rückwirkung:

„Die Unterhaltsleistung wird rückwirkend längstens für den letzten Monat vor dem Monat gezahlt, in dem der Antrag hierauf bei der zuständigen Stelle oder bei einer der in § 16 Abs. 2 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Stellen eingegangen ist; dies gilt nicht, soweit es an zumutbaren Bemühungen des Berechtigten gefehlt hat, den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Elternteil zu Unterhaltszahlungen zu veranlassen.“

 

Berechnung des Un-terhaltsvorschusses Mindestunterhalt nach § 1612a BGB (i.V.m. § 1 Mindestunterhalts-verordnung) ab 1.1.2017 abzüglich des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes ab 1.1.2017 monatlicher Unter-haltsvorschuss ab 1.1.2017, bzw. ab 1.7.2017 für Kinder ab 12 Jahre
für Kinder bis zum 6. Geburtstag 342,00 EUR 192,00 EUR 150,00 EUR
für Kinder bis zum 12. Geburtstag 393,00 EUR 192,00 EUR 201,00 EUR
Neu: 460,00 EUR 192,00 EUR 268,00 EUR
für Kinder bis zum 18. Geburtstag

 

Da auch in diesen Fällen der gescheiterten Bemühungen, Unterhalt zu bekommen, der Unterhaltsvorschuss lediglich für ein Monat rückwirkend erbracht wird, ist eine rechtzeitige Antragstellung immer zu beachten. Die Jungendämter rechnen aufgrund der Neuregelung ca. mit einer Verdopplung der LeistungsbezieherInnen.

 

Beispiel Nürnberg: Antragsflut erwartet

Nach der Prognose des Jugendamts der Stadt Nürnberg wird sich beispielsweise die Fallzahl im ersten Jahr nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderung von bisher rund 4.200 laufenden Fällen auf dann ca. 8.400 laufende Fälle verdoppeln. Gerade bei der Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen ist mit einer sehr großen Anzahl von Anträgen zu rechnen. Da auch diesmal wieder – wie leider so oft im sozialen Bereich – das Gesetz auf den allerletzten Drücker verabschiedet wurde, bleibt der kommunalen Verwaltung, die für die Durchführung zuständig ist, kaum Zeit zur Vorbereitung, geschweige denn zur Information der Betroffenen. So sollen z.B. in Nürnberg 13 Vollzeitkräfte neu eingestellt werden und damit zur Verdopplung des Personals führen. Allerdings gilt das erst für das Jahr 2018. Für den Antragsansturm im Juli 2017 sollen 5,5 zusätzliche Mitarbeitende zur Verfügung stehen, die laut Plan ab dem 15.6.2017 eingearbeitet werden. So ist es in Nürnberg, aber andernorts wahrscheinlich ähnlich. Das heißt realistisch: Bei Neuanträgen ist mit einer langen Wartezeit zu rechnen.

Die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses ist zu begrüßen: Manche erwerbstätigen Alleinerziehenden, die bisher auf SGB II-Leistungen angewiesen sind, können in Zukunft ohne SGB II-Leistungen bzw. Kinderzuschlag auskommen. Neben den – manchmal auch nur geringen finanziellen – Vorteilen, bedeutet das für Betroffene, dass sie sich weniger mit den Zumutungen der Jobcenter rumschlagen müssen.

Allerdings gibt es komplizierte Sonderregelungen für SGB II-Leistungsberechtigte. Diese Sonderregelungen werde ich zunächst darstellen, um dann anschließend auf die praktischen Probleme, die die Regelungen meines Erachtens aufwerfen, einzugehen.

 

Darstellung der Sonderregelungen für SGB II-Leistungsberechtigte

Anspruchsinhaber des Unterhaltsvorschusses ist stets das Kind. Wenn das Kind SGB II-Leistungen bezieht, sollen nun besondere Regelungen gelten, sobald das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet hat. Die Neuregelungen finden sich § 1 Abs. 1a UVG:

㤠1 Berechtigte

[…]

(1a) Über Absatz 1 Nummer 1 hinaus besteht Anspruch auf Unterhaltsleistung bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs des Kindes, wenn

  1. das Kind keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder durch die Unterhalts-leistung die Hilfebedürftigkeit des Kindes nach § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vermieden werden kann oder
  2. der Elternteil nach Absatz 1 Nummer 2 mit Ausnahme des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetz-buch in Höhe von mindestens 600 Euro verfügt, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind.

[…]

Begründet wird die Regelung damit, dass unnötige Überschneidungen von Sozialleistungen dann vermieden werden soll, wenn Betroffene nichts davon haben.

Das erscheint erstmal einleuchtend: Wenn durch die Unterhaltsleistung die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht vermieden werden kann, heißt das nichts anderes, als dass der Unterhaltsvorschuss in voller Höhe auf das SGB II angerechnet wird. Da minderjährigen Kindern hier auch kein Freibetrag bei der Anrechnung des Unterhaltsvorschusses zusteht, bringt der Unterhaltsvorschuss bei weiter bestehender Hilfebedürftigkeit dem Kind gar nichts. Was das Jugendamt gibt, nimmt das Jobcenter. So gesehen ist die Neuregelung vernünftig.

Die Regelung, dass es den Unterhaltsvorschuss auch bei Nichtüberwindung der Hilfebedürftigkeit des Kindes den-noch geben soll, wenn die/der Alleinerziehende mindestens 600 Euro verdient, ist schon etwas schwieriger nachzuvollziehen. Auch hier bringt der Unterhaltsvorschuss nichts, weil er voll angerechnet wird, solange das Kind hilfebedürftig bleibt. Das Argument, Betroffene von unnötigen Behördengängen zu entbinden, müsste doch gerade auch für alleinerziehende Erwerbstätige gelten. Der Gesetzgeber erhofft sich mit dieser Regelung allerdings erwerbstätige Alleinerziehende zu motivieren, ihre Erwerbstätigkeit zu erweitern, um die verbliebene Bedarfslücke zu schließen:

„Für die Alleinerziehenden mit den älteren Kindern soll von der Einkommensuntergrenze ein Impuls ausgehen, perspektivisch, mithilfe eines weiteren Ausbaus ihrer Erwerbstätigkeit die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Denn es wird so erkennbar, wie groß bei Bezug von Unterhaltsvorschuss noch die verbleibende Bedarfslücke der Betroffenen ist.“ (Bundestag Drucksache 18/11135; S. 160)

Das ist ein äußerst schwaches Argument.

 

Regelung der praktischen Umsetzung des Anspruchs auf Unterhaltsvorschuss für Kinder ab 12 Jahre in SGB II-Bedarfsgemeinschaften

Die in § 1 Abs. 1a S. 2 UVG geplante Verfahrensvorschrift möchte ich hier wörtlich zitieren, um sie dann in ihrer Bedeutung zu würdigen:

Für die Feststellung der Vermeidung der Hilfebedürftigkeit und der Höhe des Einkommens nach Satz 1 ist der für den Monat der Vollendung des 12. Lebensjahres, bei späterer Antragstellung der für diesen Monat und bei Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt der für diesen Monat zuletzt bekanntgegebene Bescheid des Jobcenters zugrunde zu legen. Die jeweilige Feststellung wirkt für die Zeit von dem jeweiligen Monat bis einschließlich den Monat der nächsten Überprüfung.

Was bedeutet das für die Praxis? Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht? Der Gesetzgeber versucht mit dieser Regelung zwei Ziele zu erreichen.

  1. Auch für SGB II-Leistungsbeziehende soll der Unterhaltsvorschuss immer für ein Jahr bis zur nächsten Überprüfung rechtssicher erbracht werden. Entscheidend ist stets der zuletzt bekannt gegebene Bescheid des Jobcenters für den Monat, in dem das Kind 12 Jahre alt wird, oder in dem der Unterhaltsvorschuss neu beantragt wird, bzw. überprüft wird. Die Beschränkung auf die jährliche Überprüfung auch hinsichtlich der Regelungen des § 1 Abs. 1a UVG sind sinnvoll. Ansonsten hätte nicht nur das Jugendamt, sondern auch das Jobcenter einen erheblich größeren Verwaltungsaufwand. Auch die Betroffenen würden hierdurch massiv belastet, indem sie ständig neue Anträge stellen müssten.
  2. Monatliche Änderungen im SGB II-Bezug oder beim Einkommen des alleinerziehenden Elternteils führen daher nicht dazu, dass der Unterhaltsvorschuss nachträglich entfällt. Das gilt selbst dann, wenn in den einzelnen Monaten die Voraussetzungen im Sinne des § 1 Abs. 1a UVG nicht mehr vorlagen, z.B. das Einkommen weniger als 600 Euro betragen hat. Das ist vernünftig. Ansonsten müsste der Unterhaltsvorschuss oft monatweise gewährt oder sogar zurückgefordert werden. Das würde zu extremen Verstößen gegen Gerechtigkeitsgrundsätze führen, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch Sozialleistungen als Einkommen im SGB II angerechnet werden, die zurückgezahlt werden müssen. Die Regelung, dass der Unterhaltsvorschuss bei Änderungen in den Verhältnissen bzgl. § 1 Abs. 1a UVG nicht entfällt, schützt so auch die Leistungsberechtigten.

Dennoch werfen die gesetzlichen Regelungen rechtliche Fragen auf, die auch für die Praxis wichtig sein können. Maßgebend für die Entscheidung über den Bezug des Unterhaltsvorschusses ist der SGB II-Bescheid in der Form seiner Bekanntgabe. Auch rechtswidrige Bescheide sind hier unumstößliche Grundlage für die Entscheidung über den Erhalt von Unterhaltsvorschuss. In diesem Zusammenhang möchte ich eine längere Passage aus der Gesetzesbegründung zitieren, die deutlich macht, was das bedeutet:

Bei den Unterhaltsvorschussstellen muss zur Feststellung der Einkommens- und Vermögenssituation lediglich der Bescheid des Jobcenters vorgelegt werden. Außer Betracht bleibt dabei, ob es sich um einen vorläufigen SGB II-Bescheid handelt oder ob gegen den SGB II-Bescheid Widerspruch eingelegt wurde. Nachträgliche Änderungen des SGB II-Bescheids haben keine Auswirkungen auf die Entscheidung über den Unterhaltsvorschuss. Es müssen keine eigene Berechnungen oder Prognosen zur Einkommenssituation vorgenommen werden. Bei schwankenden Einkünften wird im SGB II-Bescheid im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung regelmäßig das zu erwartende Durchschnittseinkommen abgebildet. Dieses ist als nachgewiesenes Einkommen anzusehen. Die Voraussetzungen sind bei Vollendung des 12. Lebensjahres oder bei späterer Antragstellung zu diesem Zeitpunkt sowie jährlich im Rahmen der Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen nachzuweisen. Die jährliche Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist zwingend durchzuführen und entspricht den Regelungen in der Richtlinie zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist die Bewilligung zum Ablauf des Tages, an dem das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, aufzuheben. Bei späterer Antragstellung ist der Antrag abzulehnen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1a in diesem Monat nicht vorliegen. Liegen die Voraussetzungen im Rahmen der Überprüfung nicht mehr vor, ist die Bewilligung für die Zukunft aufzuheben.

Die Neuregelung, den Leistungsanspruch bei Kindern ab 12 Jahre von der Überwindung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II aufgrund des vorhandenen Bescheids zu bestimmen, führt zu einem Problem. Die Überwindung der Hilfebedürftigkeit ist tatsächlich möglich, kann aber in Fällen der Neubeantragung von Unterhaltsvorschuss nicht anhand des ausschlaggebenden SGB II-Bescheids festgestellt werden. Im Folgenden gehe ich neben diesem noch auf weitere Praxisprobleme der Neuregelung ein, die schon aufgrund der gesetzlichen Regelungen offensichtlich sind.

 

Praxisproblem I: Anspruchsberechtigung durch Überwindung der SGB II-Hilfebedürftigkeit aufgrund des Bezugs von Unterhaltsvorschuss nicht möglich, wenn zuvor kein Wohngeld bezogen worden ist – die „Wohngeldfalle“

De facto ist es der Regelfall, dass Kinder durch den Bezug von Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Wohngeld ihren Bedarf decken können. Aber der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nicht von der Möglichkeit, mit diesem die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, abhängig gemacht, sondern von den sozialrechtlichen Verhältnissen, die im bekanntgegeben Bewilligungsbescheid im Monat der Beantragung des Unterhaltsvorschusses stehen.

Wer alleinerziehend ist, SGB II-Leistungen bezieht und weniger als 600 Euro im Monat verdient, wird in der Regel für ein zwölfjähriges Kind nicht erstmalig Unterhaltsvorschuss erhalten können. Antragstellende scheitern am Verfahren: Kindergeld und Unterhaltsvorschuss reichen laut SGB II-Bescheid nicht, um den Bedarf zu decken. Anders sieht es aus, wenn das Kind 12 Jahre alt wird und schon vorher nur rechnerisch im SGB II-Bescheid erscheint, weil es mit Wohngeld, Kindergeld und bisherigem Unterhaltsvorschuss nicht bedürftig ist. Hier wird laut korrektem SGB II-Bescheid schon Wohngeld bezogen, entfällt also die Bedürftigkeit bei zusätzlichem Bezug von Unterhaltsvorschuss auch in der Zukunft.

Hier stoßen zwei Logiken aufeinander: Ein Wohngeldantrag kann während des SGB II-Bezugs nur gestellt werden, wenn das Jobcenter feststellt, dass der Wohngeldbezug mit anderen vorrangigen Leistungen vermutlich bedarfsdeckend ist. Ohne Zustimmung des Jobcenters ist ein Wohngeldantrag während des SGB II-Bezugs nicht möglich. Das Wohngeld wäre aber nur bedarfsdeckend, wenn der Unterhaltsvorschuss schon erbracht wird. Nun ist aber bei Kindern ab 12 Jahre der Unterhaltsvorschuss nur möglich, wenn laut bekanntgegebenen SGB II-Bescheid die Hilfebedürftigkeit mit Unterhaltsvorschuss aktuell überwunden wäre. Das setzt aber wiederum Bezug von Wohngeld voraus, das wiederum nur im SGB II-Leistungsbezug beantragt werden kann, wenn Unterhaltsvorschuss gewährt wird, denn nur dann wird die Hilfebedürftigkeit durch Wohngeldbezug überwunden… Hier beißt sich die Katze in den Schwanz!

In diesen Fällen scheitert der Versuch, Unterhaltsvorschuss zu erhalten am vorgeschriebenen Verfahren, dass auf den bekanntgegebenen Bescheid abstellt. Die Frage ist dann:

Ist es von Nachteil, wenn für ältere Kinder kein Unterhaltsvorschuss beantragt werden kann, weil aktuell kein Wohngeldbezug vorhanden ist?

Betroffen sind nur Bedarfsgemeinschaften, in denen der alleinerziehende Elternteil weniger als 600 Euro brutto verdient. Bei höherem Verdienst ist die Beantragung von Unterhaltsvorschuss kein Problem. In diesen Bedarfsgemeinschaften mit niedrigem Einkommen des Elternteils würde die Nichtbedürftigkeit eines Kindes ohnehin in der Regel nur dazu führen, dass Kindergeld, was bisher beim Kind angerechnet worden ist, nun teilweise beim alleinerziehenden Elternteil von der SGB II-Leistung abgezogen werden würde. In der Regel dürfte also der Bezug von Unterhaltsvorschuss nur dazu führen, dass sich die Anrechnung von Kindergeld verschiebt.

Dennoch können einige Bedarfsgemeinschaften negativ betroffen sein, wie ich an einem Beispiel zeigen werde.

Beispiel:

Frau K. lebt mit ihrer 13 jährigen Tochter in Nürnberg, zahlt 600 Euro Miete (inkl. NK) und 60 Euro für die Heizung.

Frau K. erhält Arbeitslosengeld I in Höhe von 590 Euro. Vom Jobcenter hat sie schon bisher, als sie arbeitete, aufstockend Leistungen erhalten. Am 1. Juli stellt sie einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss für Ihre Tochter. Der Antrag wird abgelehnt, da die Tochter mit Unterhaltsvorschuss und Kindergeld ihren Bedarf nicht decken kann. Sie selbst liegt knapp unter dem für den Unterhaltvorschuss notwendigen Einkommen von 600 Euro. Ihre Situation stellt sich nun so dar: Das Jobcenter Nürnberg erkennt nur 472 Euro als angemessene Bruttokaltmiete an. Ihr SGB II-Bedarf berechnet sich daher wie folgt:

RB-Stufe 1 409,00 Euro

Mehrbedarf 49,08 Euro

RB-Stufe 4 291,00 Euro

Miete (inkl. Nk.) 472,00 Euro

Heizung 60,00 Euro

Gesamt: 1281,08 Euro

Als Aufstockerin, die ALG I erhält, steht ihr ein Freibetrag von 30 Euro zur Verfügung. Daher beträgt das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft:

1311,08 Euro

Wenn sie Unterhaltsvorschuss beantragen könnte, sähe die Einkommenssituation der Bedarfsgemeinschaft folgendermaßen aus.

Wohngeld 314,00 Euro

UVG 268,00 Euro

KG 192,00 Euro

ALG I 590,00 Euro

Gesamteinkommen: 1364,00 Euro

In diesem Fall führt die Tatsache, dass ein Antrag auf Unterhaltsvorschuss aufgrund der bindenden Feststellungen des bekanntgegebenen SGB II-Bescheids abgelehnt wird, zur Schlechterstellung der Bedarfsgemeinschaft.

Solche Fälle mögen nicht zahlreich sein, zeigen aber meines Erachtens, was vom Gesetzgeber in Kauf genommen wird, nur um eine Sonderstellung von SGB II-Leistungsberechtigten festzuschreiben. Ob sich diese Sonderbehandlung von Kindern in SGB II-Bedarfsgemeinschaften verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, wenn sie im Ergebnis zu einer Schlechterstellung unterhaltsberechtigter Kinder führt, ist äußerst fragwürdig.

 

Praxisproblem II: Muss Unterhaltsvorschuss beantragt werden, obwohl die Beantragung von Kinderzuschlag günstiger wäre?

Frau K. wohnt in München mit Ihrer 13 jährigen Tochter.

Die Bruttokaltmiete beträgt 650 Euro. Der Heizungsabschlag beträgt monatlich 78 Euro.

Frau K. verdient monatlich 1.800 Euro brutto, ausgezahlt bekommt sie 1.322 Euro netto.

Sie erhält keinen Unterhalt. Im Monat Mai 2017 hat sie einen Antrag auf Kinderzuschlag gestellt. Eine Beratungsstelle hat korrekt berechnet, dass sie 170 Euro Kinderzuschlag erhalten wird. Das Wohngeldamt hat berechnet, dass das Wohngeld 199 Euro beträgt.

Ihr SGB II-Bedarf besteht aus 409 Euro Regelbedarf + 49,08 Euro Mehrbedarf Alleinerziehende+ 291 Euro Regelbedarf Tochter + 728 Euro Unterkunftskosten = 1477,08 Euro.

Ihr anrechenbares Erwerbseinkommen beträgt nach Abzug des Freibetrags von 330 Euro genau 992 Euro. Hinzu kommt der Kinderzuschlag in Höhe von 170 Euro, Wohngeld in Höhe von 199 Euro und das Kindergeld. Die Summe der anrechenbaren Einkünfte beträgt 1553 Euro. Der Kinderzuschlag wird auch nicht geschmälert ausgezahlt. Mit Kinderzuschlag hat die Bedarfsgemeinschaft immerhin gerundet 76 Euro mehr als zuvor.

Jetzt hat Frau K. gehört, dass sie demnächst 268 Euro Unterhaltsvorschuss für ihre Tochter erhalten kann. Das hört sich besser an als die 170 Euro Kinderzuschlag. Sie beantragt den Unterhaltsvorschuss und meldet dies bei der Familienkasse und Wohngeldstelle.

Was passiert? Der Kinderzuschlag wird sofort eingestellt, da der Unterhaltsvorschuss in voller Höhe vom Kinderzuschlag abgezogen wird und daher nur ein Negativbetrag übrig bleibt. Das Wohngeldamt teilt mit, dass nunmehr der Wohngeldanspruch lediglich 27 Euro beträgt, da im Gegensatz zum im Wohngeldrecht anrechnungsfreien Kinderzuschlag der Unterhaltsvorschuss als Einkommen beim Wohngeld voll angerechnet wird. Insgesamt gehen also beim Wohngeld 172 Euro und beim Kinderzuschlag 170 Euro verloren, in der Summe 342 Euro. Tatsächlich haben die beiden nun genau 1,08 Euro mehr als beim Jobcenter.

Mit dem Bezug von Kinderzuschlag hätten die Bedarfsgemeinschaft 75 Euro mehr in der Tasche.

Was tun?

Das Problem bestand grundsätzlich auch schon im Rahmen der bis zum 30.6.2017 geltenden Rechtslage im Falle der Leistungskonkurrenz von Kinderzuschlag/Wohngeld und Unterhaltsvorschuss/Wohngeld. Jetzt trifft es aber wesentlich mehr Bedarfsgemeinschaften, da sich die Alternative Kinderzuschlag erst bei einem höheren Erwerbseinkommen stellt, welches meist erst dann erzielt wird, wenn die Kinder älter sind.

Nach meiner Rechtsauffassung – ich finde hier zumindest nichts Gegenteiliges – besteht keine Pflicht, den Unterhaltsvorschuss vorrangig gegenüber dem Kinderzuschlag zu beantragen.

In der Beratung kann geprüft werden, welche Leistungsalternative besser ist: Kinderzuschlag/Wohngeld oder Unterhaltsvorschuss/Wohngeld?

Nur Kinder, die tatsächlich Unterhalt (und nicht Unterhaltsvorschuss) in vergleichbarer Höhe erhalten, haben keine Wahlfreiheit: Kinderzuschlag kommt für sie nicht in Frage, da dieser um die Höhe des Unterhalts gemindert wird. Auf der anderen Seite wird der Unterhalt voll als Einkommen beim Wohngeld angerechnet.

 

Praxisproblem III: Anrechnung von eigenem Einkommen der Kinder über 12 Jahre auf den Unterhaltsvorschuss

Das Einkommen der Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs bleibt anrechnungsfrei, solange es nicht aus tatsächlich erhaltenen Unterhaltsleistungen besteht, die natürlich den Unterhaltsvorschuss schmälern. Das Gleiche gilt für Halbwaisenrenten, die den Unterhaltsvorschuss reduzieren bzw., wenn sie den Unterhaltsvorschuss übersteigen, diesen entfallen lässt. Das war schon bisher so.

Für Kinder ab 12 Jahre gibt es nun aber eine Neuregelung. Auch das Einkommen von älteren Kindern, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, wird nicht als Einkommen den Unterhaltsvorschuss mindernd angerechnet. Ferienjobs und Nebentätigkeiten bleiben immer unberücksichtigt. Das gilt auch für Einkommen aus Nebenjobs, die neben einer Berufsausbildung, einem freiwilligen sozialen Jahr oder einem freiwilligen ökologischen Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes ausgeübt werden. Ansonsten gelten folgende Anrechnungsregeln:

Vom Arbeitnehmereinkommen (netto) des Kindes wird ein Zwölftel des Arbeitnehmer Pauschbetrags freigestellt. Was übrig bleibt, wird zur Hälfte angerechnet. Bei einer Ausbildung bleiben zusätzlich 100 Euro frei.

Die Anrechnungsregel für Einkommen des Kindes im Wortlaut des § 2 Abs. 4 Unterhaltsvorschussgesetz:

„Für Berechtigte, die keine allgemeinbildende Schule mehr besuchen, mindert sich die nach den Absätzen 1 bis 3 ergebende Unterhaltsleistung, soweit ihre in demselben Monat erzielten Einkünfte des Vermögens und der Ertrag ihrer zumutbaren Arbeit zum Unterhalt ausreichen. Als Ertrag der zumutbaren Arbeit des Berechtigten aus nichtselbstständiger Arbeit gelten die Einnahmen in Geld entsprechend der für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers abzüglich eines Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags; bei Auszubildenden sind zusätzlich pauschal 100 Euro als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen. Einkünfte und Erträge nach den Sätzen 1 und 2 sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

Beispiel: Anrechnung der Ausbildungsvergütung auf den Unterhaltsvorschuss

Der 16 jährige Sohn lebt mit seiner Mutter zu zweit in Frankfurt/M. Die Bruttokaltmiete beträgt 520 Euro. Der Abschlag für die Heizung beträgt 80 Euro.

Die Mutter hat ein Einkommen von über 600 Euro und bezieht nach den gesetzlichen Neuregelungen Unterhaltsvorschuss und auch Wohngeld für Ihren Sohn. Mit dem Wohngeld, dem Kindergeld und dem Unterhaltsvorschuss ist ihr Sohn nicht bedürftig. Das „überschießende Kindergeld“ wird bei der Mutter, die aufstockend SGB II-Leistungen bezieht, als Einkommen angerechnet. Nun beginnt der Sohn eine Ausbildung. Die Ausbildungsvergütung beträgt 560 Euro brutto und 450 Euro netto.

Anrechnungsbetrag der Ausbildungsvergütung auf den Unterhaltsvorschuss im Beispiel: 450 Euro (netto) minus 83,33 Euro (Zwölftel Arbeitnehmer Pauschbetrag) minus 100 (Freibetrag für Ausbildung) = 266,66 Euro. Hiervon wird die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet: 133,33 Euro.

Statt 268 Euro beträgt der Unterhaltsvorschuss aufgrund der Ausbildungsvergütung nur 134,66 Euro.

Das tatsächliche Einkommen des Kindes setzt sich dann aus 450 Euro Ausbildungsvergütung, 192 Euro Kindergeld und 134,66 Euro Unterhaltsvorschuss zusammen. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob das Kind mithilfe von Wohngeld unabhängig vom SGB II ist und ob ggf. „überschießendes Kindergeld“ bei der Alleinerziehenden anzurechnen ist.

 

Wie hoch ist das anrechenbare Einkommen im SGB II?

Das Kindergeld wird in voller Höhe im SGB II angerechnet, der Unterhaltsvorschuss in Höhe des Auszahlungsbetrags (Zufluss), die Ausbildungsvergütung nach Abzug des SGB II– Freibetrags in Höhe von 258 Euro. Hinzukommt Wohngeld in Höhe von 184 Euro, wenn das Kind beispielsweise in Frankfurt oder München wohnt und der Mietanteil 260 Euro (ohne Heizung) beträgt (Alleinerziehende mit einem Kind).

 

Anrechenbares Einkommen des Kindes im Beispiel

258,00 Euro (Anrechenbare Ausbildungsvergütung)

134,66 Euro Unterhaltsvorschuss

192,00 Euro Kindergeld

184,00 Euro Wohngeld

768,66 Euro anrechenbares Gesamteinkommen

 

Bedarf des Kindes 17 Jahre alt:

306,00 Euro (Regelbedarf) + 300,00 Euro (Kosten der Unterkunft) = 606,00 Euro Gesamtbedarf

Demnach hat der Auszubildende ein seinen Bedarf übersteigendes Einkommen in Höhe von 162,66 Euro (768,66 Euro minus 606,00 Euro = 162,66 Euro).

Kommt das übersteigende Einkommen aufgrund von Kindergeld zustande, wird das nicht zum Leben im Sinne des SGB II benötige Kindergeld dem kindergeldberechtigten Elternteil in der Bedarfsgemeinschaft als Einkommen zugeordnet. Hier würde das Kind nur 29,34 Euro des Kindergeldes benötigen, um den SGB II-Bedarf zu decken.

Fazit: Aufgrund der begonnen Ausbildung ändert sich der Unterhaltsvorschuss, aber auch der Teil des vom Kind nicht benötigten Kindergeldes, das die SGB II-Leistung der Mutter ändert.

Da die Ausbildungsvergütung beim Unterhaltsvorschuss anders als im SGB II bereinigt und anspruchsmindernd wirkt, laufen die Anrechnungen nicht gewissermaßen parallel.

Was bisher noch nicht berücksichtigt ist: Mit der Ausbildungsvergütung ändert sich auch das Wohngeld, wobei die Wohngeldstelle warten muss, bis sie den geänderten Bescheid zum Unterhaltsvorschuss hat.

 

Chaos in der Leistungsberechnung (Unterhaltsvorschuss, Wohngeld, SGB II) bei Einkommen der Kinder vorprogrammiert

Wer sich im SGB II auskennt, kennt solche Berechnungen und wird sich vielleicht fragen, warum ich sie hier darstelle. Das hat einen einfachen Grund. Auch bisher gab es schon die Kombination: Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Wohngeld. Allerdings war der Unterhaltvorschuss eine Festgröße und damit auch das Wohngeld, das nur von der Höhe des Unterhaltsvorschusses abhängig gewesen ist. Jetzt ändert sich mit Ausbildungsbeginn alles. Bisher reichte der Wohngeldstelle die Ausbildungsvergütung, um das Wohngeld zu berechnen. Das war einfach: Die Höhe der Ausbildungsvergütung steht im Ausbildungsvertrag. Jetzt benötigt das Wohngeldamt noch den geänderten Bescheid zum Unterhaltsvorschuss, um eine Berechnung durchzuführen. Der Beginn der Ausbildung muss von den Behörden gewissermaßen nach und nach abgearbeitet werden.

Zuerst ist der Unterhaltsvorschuss neu zu berechnen, dann das Wohngeld des Kindes und zuletzt die SGB II-Leistung des alleinerziehenden Elternteils, da die Höhe der SGB II-Leistung vom „überschießenden Kindergeld“ abhängt. Das ist aber ohne einen korrigierten Unterhaltsvorschussbescheid und Wohngeldbescheid nicht zu berechnen.

 

Einkommen des Kindes (Ausbildungsvergütung) führt dazu, dass der erhaltene Unterhaltsvorschuss rückwirkend vom alleinerziehenden Elternteil ersetzt werden muss, wenn die Änderung zu spät gemeldet worden ist.

Das Chaos wird häufig zu Überzahlungen führen: Der Unterhaltsvorschuss wird noch in voller Höhe erbracht, das Wohngeld wurde noch nicht korrigiert. Das Jobcenter rechnet die hohen Zuflüsse an. Eine spätere Rückzahlungspflicht bleibt auch im Nachhinein unbeachtlich.

Bevor ich darauf eingehe, was getan werden kann, wenn Unterhaltsvorschuss zurückgezahlt werden muss, obwohl er leistungsmindernd vom Jobcenter angerechnet worden ist, stelle ich kurz die Ersatepflicht und Rückzahlungspflicht im Unterhaltsvorschussgesetz da. Hier gibt es Spezialvorschriften, die anstelle der Regelungen des SGB X treten. Das UVG unterscheidet zwischen der Rückzahlungspflicht, die das leistungsberechtigte Kind trifft, und der Ersatz-pflicht, die den alleinerziehenden Elternteil trifft.

Die Rückzahlungspflicht nach § 5 Abs. 2 UVG seitens des Kindes bezieht sich bei Einkommen nur auf Einkommen nach § 2 Abs. 3 UVG. Demnach muss der Unterhaltsvor-schuss nachträglich zurückgezahlt werden, wenn für den Leistungszeitraum tatsächlich Unterhalt oder eine Halbwaisenrente gezahlt worden ist. Eine spezielle Rückzahlungsverpflichtung des unterhaltsberechtigten Kindes bei Einkommen nach dem neu eingeführten § 2 Abs. 4 UVG (zumutbares Einkommen des Kindes wie Ausbildungsvergütung) ist nicht in das neue Unterhaltsvorschussgesetz aufgenommen worden.

Allerdings besteht eine Ersatzpflicht des alleinerziehenden Elternteiles, wenn gegen Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 4 SGB II verstoßen wird. Die Mitwirkungspflicht ist folgendermaßen gefasst:

Der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, und der gesetzliche Vertreter des Berechtigten sind verpflichtet, der zuständigen Stelle die Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen.

Für den Leistungsanspruch selbst sind bei unterhaltsberechtigten Kindern in einer SGB II-Bedarfsgemeinschaft allein die Tatsachen relevant, wie sie sich aus dem SGB II-Bescheid ergeben, der zum Zeitpunkt des Antrags bekannt gegeben wurde. Vermutet das Jobcenter im vorläufigen Bescheid zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Einkommen bei dem alleinerziehenden Elternteil von mindestens 600 Euro brutto, besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Der Anspruch besteht auch bis zur nächsten jährlichen Überprüfung fort, wenn sich herausstellt, dass das Einkommen tatsächlich nur 300 Euro beträgt oder auch, wenn das Einkommen schon im Monat nach der Antragstellung komplett entfällt. Einkommensänderungen des alleinerziehenden Elternteils sind während des Bewilligungszeitraums des Unterhaltsvorschusses irrelevant. Anders verhält es sich mit dem Einkommen des Kindes. Hier muss eine Änderung auch vor dem anvisierten jährlichen Prüfungstermin erfolgen.

 

Praxistipp: Einkommen des Kindes sofort melden!

Abgesehen davon, dass ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach § 6 Abs. 4 UVG zu einer Geldbuße führen kann, besteht ein weiterer Grund dafür, sofort das Einkommen zu melden:

Auch später zurückgeforderter Unterhaltsvorschuss wird im SGB II als Einkommen angerechnet, da er im Monat des Zuflusses zur Verfügung stand. Wer unverzüglich Änderungen mitteilt, ist zumindest nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 nicht zum Ersatz verpflichtet.

Das Jugendamt kann dann allenfalls einen Ersatzanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 geltend machen, wenn der alleinerziehende Elternteil „gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.“

 

Was tun, wenn das Jugendamt trotz Änderungsmitteilung weiter zahlt?

Natürlich weiß der alleinerziehende Elternteil, dass mit der Erzielung des Einkommens des Kindes der Anspruch auf Unterhaltsleistungen ganz oder teilweise entfällt. Daher ist ja auch die Änderungsmitteilung gemacht worden. Wenn nun das Jugendamt – aus welchen Gründen auch immer – den Unterhaltsvorschuss nicht stoppt bzw. reduziert, wird er weiterhin vom Jobcenter in voller Höhe angerechnet.

Ein späterer Ersatzanspruch des Jugendamts führt nicht dazu, dass SGB II-Leistungen nachgezahlt werden.

Macht das Jugendamt einen Ersatzanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 geltend, obwohl der Unterhaltsvorschuss leistungsmindernd von Jobcenter angerechnet worden ist, ist die Forderung des Ersatzanspruchs aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Rechtliche Grundlage für den Erlass der Rückforderung sind die im jeweiligen Bundesland geltenden Gemeindehaushaltsverordnungen. Die bayerischen Verordnungen verweisen hier auf § 227 AO. Daher kann die Rechtsprechung zum Erlass von Kindergeldrückforderungen, wenn das Kindergeld zuvor leistungsmindernd im SGB II angerechnet worden ist, herangezogen werden (ausführlich zum Erlass von Kindergeldrückforderungen: http://sozialrecht-justament.de/data/documents/Kurzmitteilung-Praxistipps- SGB-II-2017-Nr.-2.pdf). Diese Übertragung dürften meines Erachtens auch auf andere Haushaltsverordnungen möglich sein. Inhaltlich geht es ja immer darum, dass der Staat rechtmäßige Forderungen aufgrund einer unbilligen Härte erlässt. Die Härte besteht darin, dass jemand Sozialleistungen faktisch nicht erhalten hat, weil sie bei anderen Sozialleistungen in gleichem Maße abgezogen worden sind, aber im Nachhinein diese Sozialleistungen zurückzahlen soll, ohne eine Ausgleich bei der gekürzten Sozialleistung zu erhalten.

 

RESÜME

Die Erweiterung des Unterhaltsvorschusses ist zu begrüßen. Die Sonderregelungen für SGB II-Leistungsberechtige sind diskriminierend und lassen sich nicht rechtfertigen. Das Zusammenspiel unterschiedlichster Leistungen ist nicht durchdacht. Die Regulation von im SGB II/SGB XII angerechneten Sozialleistungen, die zurückgezahlt werden müssen, sollte im Rahmen der Erstattungen zwischen den Trägern durch eine Neuregelung im SGB X endlich möglich gemacht werden.

 

Unbeabsichtigte Nebenwirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für AusländerInnen mit bestimmten Aufenthaltstiteln

AusländerInnen mit folgendem Aufenthalt haben nur Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sie sich mindestens 3 Jahre in Deutschland aufhalten:

– § 23 Absatz 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland (Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden),

– § 23 a AufenthG (Aufenthaltsgewährung in Härtefällen),

– § 24 AufenthG (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz) oder

– § 25 Absatz 3 bis 5 AufenthG (Aufenthalt aus humanitären Gründen),

Die im UVG genannten weiteren Voraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Elternzeit oder SGB III-Bezug) sind laut der verbindlichen Richtlinien zur Durchführung des UVG nicht anzuwenden, da das Bundesverfassungsgericht die gleichlautende Regelung beim Elterngeld am 10.7.2012 für nichtig erklärt hat. Weiterhin erhalten diese AusländerInnen aber kein Kindergeld. Ob das verfassungswidrig ist, ist derzeit beim BVerfG anhängig. In den Richtlinien heißt es folgerichtig: „Wenn der Kindergeldanspruch wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 62 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b EStG oder § 1 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b BKGG abgelehnt wurde, kann eine Anrechnung des Kindergeldes nach § 2 Absatz 2 UVG nicht erfolgen.“ Der Unterhaltvorschuss ist in diesen Fällen um das nichterhaltene Kindergeld zu erhöhen.

Das führt zu folgender ungewollter Gestaltungsmöglichkeit bei vorliegendem SGB II-Bezug: Kinder, die diesen erhöhten Unterhaltsvorschuss erhalten, können in der Regel mit zusätzlichem Wohngeld ihre Bedürftigkeit überwinden. Das ist genauso bei Kindern, die Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Wohngeld beziehen. Der Unterschied ist aber: Scheiden Kinder aufgrund des „Kinderwohngeldbezugs“ aus der Bedarfsgemeinschaft aus, wird „überschießendes“ Kindergeld, was sie nicht zur Deckung ihres Bedarfs (nach SGB II) benötigen, bei dem kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen angerechnet. In der Summe ist dann oft nichts gewonnen. Ein „überschießender“ Unterhaltsvorschuss kann dagegen aber nicht angerechnet werden. Ebenfalls gesetzlich geregelt ist, dass Wohngeld, welches für nicht bedürftige Kinder bezogen wird, im SGB II anrechnungsfrei bleibt. In diesen Fällen ist auf die korrekte Erhöhung des Unterhaltsvorschusses zu achten und der Rat zu erteilen, Wohngeld für die Kinder zu betrachten. Pech hat natürlich derjenige, der für den höheren Unterhaltsvorschuss aufkommen muss. Sollte er hierzu nicht in der Lage sein, muss er seine nicht oder nur begrenzt vorhandene Leistungsfähigkeit gegenüber dem Jugendamt nachweisen. Solange das BVerfG die gleichlautende Regelung beim Kindergeld noch nicht für unwirksam erklärt, gilt dieses bevorteilende Sonderrecht.