Zusammenfassung von Babina von der Heydt
In einem von ihm „Kompendium“ (= kurzer Abriss) genannten Aufsatz geht Nicolas Mantseris der Frage nach, wie und bis zu welcher Tiefe ein Berater die tatsächlichen Ursachen/Auslöser für eine Überschuldung erkennen kann und muss. Hintergrund für seine Untersuchungen sind die aus seiner Sicht mangelhaften Statistiken und die noch fragwürdigeren Interpretationen der darin enthaltenen Daten. „Da die Ursachen derzeit bundesweit statistisch ausgewertet und veröffentlicht werden, gestalten die beteiligten Schuldnerberater mit jeder individuellen Zuordnung das gesellschaftliche Bild von Überschuldung mit.“ (S.5) Dabei bezieht er sich z.B. auf die politischen Diskussionen über „Niedrigeinkommen“, Sozialleistungsniveau und die Regelsätze.
Wenn schon eine einheitliche Bundesstatistik eingeführt wird, dann sollten aus seiner Sicht die Schuldnerberater auch die Hoheit über die Interpretation der Daten behalten. Dazu gehört aber ein möglichst einheitliches Verständnis von der Zuordnung der Ursachen von Überschuldung. Zweck des Kompendiums ist es, „als Diskussionsgrundlage zur Standardisierung der Erfassung der Ursachen im Beratungsprozess (zu) dienen.“ (S.5)
Innerhalb des Gesamtkontextes von Anamnese und Diagnostik in der Sozialen Arbeit ist Ursachenforschung nur ein Teil des ganzen und zwar derjenige, der sich mit der Vergangenheit befasst. Der Autor beschäftigt sich ausdrücklich nur mit diesem Teil. Das Kompendium „stellt eine Kurzbeschreibung der Ursachen dar, mit der Möglichkeit, bezüglich der Ursachenzusammenhänge Hypothesen zu bilden. Dabei steht die Plausibilität der Beschreibungen im Vordergrund.“ (S.6)
In den ersten beiden Abschnitten geht Mantseris auf die Diskussion verschiedener Begriffsdefinitionen ein: Ursache/Auslöser; objektiv/subjektiv; intern/extern; kritische Ereignisse/vermeidbares Verhalten. Er entscheidet sich, keine Unterscheidung zwischen Ursache und Auslöser zu machen und für die Kategorien der Ursachen die Begriffe „endogen“ und „exogen“ zu verwenden. „Endogen bezeichnet eine Ursache, die sich aus der persönlichen Veranlagung des Individuums ergibt. Darunter werden das Verhalten, die Werteeinstellung, Alltagskompetenzen und die systemische Eingebundenheit des Individuums verstanden. Exogene Ursachen finden ihren Kern außerhalb der persönlichen Veranlagung. Klassisch wäre die Arbeitslosigkeit.“ (S.7)
Die nächsten beiden Abschnitte beschäftigen sich mit der Schuldengenese (Entwicklung der Schuldensituation) und möglichen Fehlerquellen bei der richtigen Einordnung von Ursachen der Überschuldung. Zu letzteren gehören u.a. die impliziten Persönlichkeitstheorien des einzelnen Beraters, die Vermischung von Ursache und Wirkung, subjektive Darstellungen des Rat-Suchenden etc.
Der umfangreichste Abschnitt des ersten Teils widmet sich der Beschreibung von relevanten Ursachen von Überschuldung. Dabei sieht Nicolas Mantseris seine Beschreibungen immer vor dem Hintergrund der bisher geführten Statistiken und den dort verwendeten Kategorien für Überschuldungs-Ursachen. Die von ihm zum Vergleich herangezogenen Veröffentlichungen sind mit entsprechenden Ziffern im Literaturverzeichnis markiert. (Anm.: Diese Vergleiche werden vermutlich nur für den auch am politischen Diskurs interessierten Leser wichtig sein. Für das Verständnis des Artikels sind sie nicht notwendig).
„Verschuldung wird hier (Anm: im Kompendium) als selbstverständlicher Akt wirtschaftlichen Handelns von Privathaushalten betrachtet. Sie ist als solches nicht Ursache der Überschuldung. Das gilt selbst dann, wenn ein unvorsehbares Ereignis ausschließlich wegen der zuvor erfolgten Verschuldung zur Überschuldung geführt hat.“ (S.9)
Als exogene Ursachen werden folgende Phänomene beschrieben:
Arbeitslosigkeit, Trennung/Scheidung/Tod, Krankheit/Unfall, Sucht, Bürgschaft/Mithaftung, Gescheiterte Immobilienfinanzierung, gescheiterte Selbstständigkeit, Geburt eines Kindes/Haushaltsgründung, Unzureichende Kreditberatung, Dauerhaftes Niedrigeinkommen, Sonstige Ursachen.
Als endogene Ursachen werden beschrieben: Unerlaubte Handlung, mangelhafte finanzielle Bildung/mangelhafte Verbraucherkompetenz, Werteverständnis, unzureichende basale (grundlegende) Allgemeinbildung, unzureichende Binnensteuerung in Mehrpersonen-haushalten.
Die Ausführlichkeit der Beschreibungen und der dazugehörigen Beispiele variiert sehr stark. Naturgemäß finden Themen wie „Arbeitslosigkeit“ und „Dauerhaftes Niedrigeinkommen“ mehr Raum als „Familiengründung“ oder „gescheiterte Selbstständigkeit“.
Im Rahmen der Behandlung von endogenen Ursachen formuliert Nicolas Mantseris mehrere Thesen zu den Möglichkeiten von Schuldnerberatung, Verhaltensweisen der Rat-Suchenden zu ändern. Hierbei widerspricht er landläufigen Vorstellungen, dass Menschen grundsätzlich geeignet sind, rationell zu wirtschaften. Verhaltensökonomen hätten vielmehr belegen können, dass der Mensch „… unbewusst bestimmten Verhaltensweisen folgt, die sich nicht mit den normativen Vorstellungen rationaler Ökonomik vertragen.“ (S.18)
Im zweiten Teil des Kompendiums stellt Mantseris ein Zuordnungsschema auf, mit dem er Schuldnerberatern eine Art Leitfaden zur richtigen Ursachenforschung an die Hand geben will. In wenigen Sätzen werden zu den Themen aus Teil eins wichtige Kernaussagen getroffen, mit Hilfe einiger Beispiele dann mögliche Fehlerquellen genannt (sog. Ausschlussprüfung).
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis incl. relevanter Veröffentlichungen im Internet vervollständigt das Kompendium.
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