Gaby Fiek, Zentrale Schuldnerberatung Stuttgart
Beschluss des Landgericht Stuttgart vom 04.12.2018, Aktenzeichen 8 Kls 230 Js 41625/17 bezüglich des „Absehens von der Vollstreckung“
Der 27-jährige Angeklagte, Herr B., wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom Januar 2018 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 28 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Zudem wurde die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 110.200,00 € angeordnet.
Seit 2014 befindet sich Herr B. in Schuldnerberatung. Die Schulden in Höhe von ca. 13.000,00 € bei 14 Gläubigern, entstanden hauptsächlich durch ehemalige Selbstständigkeiten im Abbruchbereich und nicht bezahlte Handy- und Fitnessstudioverträge. Im Herbst 2016 begann er eine Ausbildung als Straßenbauer. Herr B. wurde im Mai 2017 verhaftet und musste seine Ausbildung unterbrechen. Sein Arbeitgeber bot ihm an, die Ausbildung nach Haftende fortzuführen. Herr B. hatte sich als äußerst zuverlässig gezeigt und seine Arbeitsleistung durchgehend zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers erbracht.
Im Juni 2018 begann er eine stationäre Drogentherapie. Sein Ziel war/ist seine Ausbildung zu absolvieren und ein geregeltes Leben zu führen.
Nach Hinweis der Rechtspflegerin der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragte die Schuldnerberaterin im August 2018 das Unterbleiben der Vollstreckung nach § 459g Abs. 5 StPO. Begründet wurde der Antrag mit der Mittellosigkeit und des aktuellen Bezuges von Leistungen nach SGB II von Herrn B. Des Weiteren wurde darüber informiert, dass ein Insolvenzverfahren aufgrund der Zahlungsunfähigkeit angestrebt wird. Belegt wurde der Sachverhalt durch Einkommens- und Therapienachweise sowie eine Gläubigeraufstellung.
Das Landgericht Stuttgart entschied mit Beschluss vom 04.12.2018:
„Die Vollstreckung der im Urteil des Landgerichts Stuttgart – 8. Große Strafkammer – vom 18.Januar 2018 angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 110.200, 00 € hat zu unterbleiben.“
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
„ Die Vollstreckung der Einziehungsanordnung hat wegen Unverhältnismäßigkeit zu unterbleiben. Der Angeklagte hat nach Auskunft von Frau … von der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart Schulden in Höhe von ca. 13.000 €. Während der ab dem 30.05.2017 beginnenden Untersuchungshaft bezog der Angeklagte Taschengeld, in der sich anschließenden Strafhaft erhielt er Überbrückungs- und Arbeitsentgelt. Seit dem 19.06.2018 befindet er sich in einer stationären Drogentherapie in der Fachklinik … und bezieht monatliche Leistungen nach dem SGB II. Sonst verfügt er über keinerlei Vermögen oder Vermögenswerte. Er befindet sich bereits seit ca. vier Jahren in der Schuldnerberatung. Nach Auskunft von Frau … wird aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren angestrebt.
In Anbetracht all dessen ist die Vollstreckung der Nebenfolge unverhältnismäßig.“
Zu diesem Thema siehe auch Arbeitshilfe und Beitrag von Senior-Professor Dr. Dieter Zimmermann in der BAG Ausgabe #3_2018, Seite 175 f. und unter:
https://www.infodienst-schuldnerberatung.de/die-einziehung-von-tatertraegen-rechtsgrundlagen-interventionen/