Diakonische Bezirksstelle Filder, Daniela Hihn
In der Beratung kommt es häufig vor, dass neben dem Schuldner auch Dritte dem Gespräch beiwohnen. Oft sind es die Partner, häufig auch kleinere Kinder, für die keine andere Betreuungsmöglichkeit gefunden werden konnte. Nach der Begrüßung beschäftigen sich die Kinder mit Malen, Bausteinen oder Smartphone, während der/die Schuldnerberater/in mit dem Elternteil über Wege aus der Überschuldung berät. Manchmal ist die Stimmung in den Beratungsgespräch beim überschuldeten Elternteil gedrückt und auch wenn die Kinder die Inhalte des Gesprächs nicht nachvollziehen können, spüren sie doch die Emotionen der Eltern.
Dies hat zu der Überlegung geführt, wie sich die Überschuldungssituation auf das nahe Umfeld des Schuldners insbesondere auf die Familienmitglieder auswirkt.
Tatsächlich gibt es dazu insbesondere für den deutschsprachigen Raum nur wenige Forschungsergebnisse. Im Jahr 2008 wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der Reihe Materialien zur Familienpolitik eine umfangreiche Arbeit zu „Lebenslagen von Familien und Kindern – Überschuldung privater Haushalte“ veröffentlicht.
Darin wird dargestellt, dass Überschuldung nicht nur für den Betroffenen selbst sondern auch auf die Kinder negative Auswirkungen hat. Die Probleme der Eltern, die sich auch in Streitigkeiten zwischen den Elternteilen manifestieren, werden häufig auf die Kinder in Form von reduzierter Zuwendung oder gar Vernachlässigung weitergegeben. Dies führt zu Problemen in der Schule in Form von schlechteren Leistungen, Verhaltensauffälligkeit, weniger Freundschaften und einer höheren Anfälligkeit für Drogen (s. hierzu Flanagan und Eccles 1993; Conger u.a. 1999; Mistry u.a. 2002). Auch die Partnerschaften in Überschuldungssituationen leiden unter dem andauernden finanziellen Druck. Streitigkeiten nehmen zu, die Gefahr einer Aufgabe der Partnerschaft durch Trennung wächst.
Auswirkungen von Überschuldung auf Familienangehörige gibt es auch in ökonomischer Hinsicht. In der Beratung erlebt man oft, dass an dieser Stelle von den Eltern in der Überschuldung noch lange versucht wird, die Kinder nicht finanziell einzuschränken. In einer Befragung im Rahmen der Studie „Armut Schulden und Gesundheit“ der Universitätz Mainz wurden in 2007 Ratsuchende aus Schuldnerberatungsstellen in Rheinland-Pfalz mit der Aussage „ich spare an meinen Kindern“ konfrontiert. Über die Hälfte beantwortete dies mit „trifft überhaupt nicht zu“ oder „trifft weitgehend nicht zu“. Dennoch können langfristig finanzielle Einschränkungen auch für die Kinder nicht ausbleiben. Sei es, dass der Kindergeburtstag nicht gefeiert werden kann, die gewünschten Schuhe nicht gekauft werden können, oder die Kinder statt für die Schule zu arbeiten Werbeprospekte verteilen.
Zumindest die psychischen Auswirkungen müssen aber keine Zwangsläufigkeit von Überschuldung auf Familien sein. In einer Untersuchung von Liker und Elder 1983 wurde bereits festgestellt, dass Partnerschaften nicht immer unter finanziellen Schwierigkeiten leiden, sondern auch dazu beitragen können, negative psychische Auswirkungen der Überschuldung in Grenzen zu halten. Ebenso gelingt es auch einigen Eltern den Stress, der durch die Überschuldung entsteht, nicht auf ihre Kinder zu übertragen (Flanagan und Eccles, 1993). Vor allem dann, wenn der überschuldete Elternteil das Gefühl hat, auch in der Überschuldungssituation noch weiter Handlungsmöglichkeiten zu haben und nicht hilflos den Gläubigern ausgeliefert zu sein, reduziert sich der eigene Stress und der auf die Angehörigen übertragene Stress deutlich.
Hier kann die Soziale Schuldnerberatung ihren Teil leisten. Sowohl in Gesprächen allein mit dem Schuldner als auch in Gesprächen, bei denen Angehörige anwesend sind, können wir durch die Darstellung von Wegen aus der Überschuldung und durch Stärkung des Selbstbewusstseins eine zuversichtlichere Grundstimmung schaffen.
Literaturverzeichnis:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2008): Lebenslagen von Familien und Kindern – Überschuldung privater Haushalte, Nr. 22/2008.
Conger R.D., Reuter, M.A.und Elder, G. H. (1999,). Couple resilience to economic pressure. Journal of personality and Social Psychology, Vol. 76, s. 54-71.
Flanagan, C.A., und Eccles J.S. (1993). Changes in parent’s work status and adolescent’s adjustment to school. Child Development, vol. 64, S. 246-257.
Liker, J.K. und Elder, G.H. (1983).Economic hardship and marital relations in the 1930s. American Sociological Review. Vol. 48, S. 343-39.
Mistry, R.S., Vandewater, E.A., Huston, A.C. und McLoyd, V.C. (2002).Economic well-being and children’s social adjustment: The role of family process in an ethnically diverse low-income sample.Child Delelopment, Vol. 73, S. 935-951.