7. Juli 2022

Julia Schlembach, Diakonisches Werk Baden

Wer mehr als 40 % des verfügbaren Einkommens für Wohnkosten ausgibt, gilt als finanziell überlastet. Die Wohnkosten überschuldeter Personen sind  überdurchschnittlich hoch.

Das Statistische Bundesamt (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_217_63511.html) hat im Mai gemeldet, dass im Jahr 2021 dem Haushalt einer überschuldeten Person, die Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchte, durchschnittlich ein Nettoeinkommen von 1.368 Euro pro Monat zur Verfügung stand. Mit durchschnittlich 520 Euro machten die Kosten für die Wohnung einschließlich Energie- und Nebenkosten 38 % des Haushaltseinkommens aus. In der Gesamtbevölkerung belief sich der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen nach den aktuellsten Daten aus dem Jahr 2020 bundesweit auf 22 %. Die Mietkosten sind also ein gewichtiger Posten im Budget von überschuldeten Personen und immerhin 20 % der Überschuldeten hatten 2021 offene Verbindlichkeiten bei der*dem Vermieter*in.

Die Situation in Baden-Württemberg ist besonders angespannt: Die durchschnittlichen monatlichen Einkünfte überschuldeter Personen liegen laut Statistischem Bundesamt bei 1.218 Euro und die Wohnkosten dieser Menschen belaufen sich in Baden-Württemberg auf durchschnittlich 597 Euro. Das heißt, dass die Wohnkosten nahezu die Hälfte (49,01 %) des verfügbaren Einkommens ausmachen!

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg (https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2021059) weist in seiner 2021 veröffentlichten Erhebung außerdem aus, dass der Anteil der Konsumausgaben für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung in Baden-Württemberg insgesamt durchschnittlich bei 35,1 % liegt. Die subjektive Mietbelastung in Baden-Württemberg wird laut Statistischem Landesamt (https://www.statistik-bw.de/PrivHaushalte/Lebensbeding/FinBelWohnkosten.jsp) sogar nochmal erheblich belastender wahrgenommen: Insgesamt 71 % geben an eine große oder gewisse Belastung durch die Wohnkosten wahrzunehmen.

Das ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte der teuersten Städte Deutschlands in Baden-Württemberg liegen. Auch als wirtschaftlich starkes Bundesland, gibt es doch immer mehr Menschen, die da nicht mithalten können und sich Wohnen kaum noch leisten können.

Aufgrund der hohen Einkommensgrenze für den Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (51.000 Euro Jahresbruttoeinkommen) in Baden-Württemberg, kommt es zu „Verteilungskämpfen“ um die immer weiter abnehmenden Sozialmietwohnungen. Nur ca. 10 % der Berechtigten erhalten auch tatsächlich eine gebundene Sozialwohnung. 2002 gab es in Baden-Württemberg noch 137.000 gebundene Sozialwohnungen, Ende 2021 waren es nur noch 49.500 – Tendenz fallend. Trotz der Bemühungen des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen fallen nach wie vor mehr Sozialwohnungen aus der Bindung als neu gebaut werden. Um eine wirkliche Trendwende im sozialen Wohnungsbau im Land zu schaffen, braucht es jährlich (je nach Schätzung) bis zu 6.000 neue Wohnungen.

Hinzu kommt: Die Frist des Corona-Mietenmoratoriums endet am 30.06.2022. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraus eine Häufung von Wohnungskündigungen ergibt, weil die Menschen die „geschobenen“ Mieten in der Frist nicht zurückzahlen konnten.