31. Juli 2021

Manuel Rombach, Caritasverband für den Landkreis Emmendingen e.V.

Eine statistische Auswertung von Schuldnerberatungsstellen der Ortscaritasverbände in der Erzdiözese Freiburg für das Jahr 2020 ergab, dass 26 % der Ratsuchenden keinen deutschen Pass besitzen, was gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme von mehr als 4% entspricht. 38% der Klient*innen haben ieinen Migrationshintergrund, was einen weiter zunehmenden Trend gegenüber den Vorjahren bedeutet.

In der Schuldnerberatung mit dieser Personengruppe gibt es hierbei für Berater*innen wichtige Aspekte zu berücksichtigen, von denen ich nachfolgend drei näher skizzieren möchte. Daraus können Handlungsmuster abgeleitet werden, die im Text hervorgehoben werden. Sie erheben jedoch keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern sind durch meine praktischen Erfahrungen hergeleitet.

1. Überschuldungsfaktoren

– Sprachliche Barrieren / Unbekanntes Vertragswesen

Bei den Überschuldungsauslösern sind neben den durch die Bundesstatistik hinlänglich bekannten Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit etc. einige speziell auf die Migrationssituation zurückführende Punkte auszumachen. Viele Migrant*innen sind mit dem deutschen Vertragswesen überfordert, entweder weil dies in ihrem Herkunftsland nicht üblich ist oder weil sprachliche Barrieren zu hoch sind. Rein rechtlich sind sie jedoch voll geschäftsfähig und somit auch in der Lage, Verträge abzuschließen und bestenfalls zu erfüllen. Das Institut für Finanzdienstleistungen e.V. veranschaulicht in diesem Zusammenhang gesetzliche Rahmenbedingen für Geflüchtete in der Schuldnerberatung in ihrem Überschuldungsradar vom 21.10.2020 in übersichtlicher und kompakter Version (Link 1).

Obendrein ist das deutsche Finanzsystem mit seinen Möglichkeiten („Kaufe heute – zahle morgen“) einerseits vielen Migrant*innen unbekannt, andererseits eine Möglichkeit Produkte oder Dienstleistungen zu erwerben und somit an der Konsumgesellschaft zu partizipieren. Die dabei anfallenden Kosten, die teilweise über eine Laufzeit von ein oder mehreren Jahren anstehen, können sie jedoch aufgrund der oftmals geringen Aufklärung der Anbieter nicht abschätzen und daher vielen Fällen nicht bezahlen. Auch scheinbar abgeschlossene Verträge im Internet treiben die Kosten (überwiegend Kosten für eine angebliche Kreditkartenbestellung, eingefordert von unseriösem Inkasso) in die Höhe, obwohl alle Ratsuchenden versicherten, solch eine Karte wissentlich nie bestellt zu haben. Hier gilt es für die Schuldnerberater*innen diese Verträge gleich zu widerrufen oder anzufechten (Link 2). Wichtig ist jedoch darauf hinzuweisen, dass einige dieser Schuldenfallen auch viele Menschen treffen können, die nicht zugewandert sind.

– Unterstützung der Verwandtschaft

Vereinzelt wird ein großer Wille der Gelflüchteten ersichtlich, ihre Familie im Herkunftsland finanziell zu unterstützen. Obwohl ihnen hier nur geringe Mittel zur Verfügung stehen, ist es doch weit mehr, als ihre Verwandten im Ursprungsland besitzen. Somit existiert ein gewisser moralischer Druck, Gelder in die Heimat zu bringen, auch wenn hier eine Überschuldung die Folge ist.

– Strukturelle Hintergründe

Hier spielt der Aufenthaltsstatus eine große Rolle. Geflüchtete haben ein Beschäftigungsverbot innerhalb der Wartefrist von 3 Monaten ab Ausstellung des Auskunftsnachweises, wodurch sie auch verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Auch mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung muss zunächst eine Genehmigung der zuständigen Ausländerbehörde sowie die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erfolgen (Link 3). Mit diesen Hürden und den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, falls keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, können hohe Zahlungsverpflichtungen nur schwer bedient werden.

2. Prävention zur Vermeidung von neuer Überschuldung

Die eben genannten weiteren Überschuldungsfaktoren haben keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Individuelle Ver- und Überschuldungsstrukturen sind bisweilen sehr komplex. Die Darstellung soll jedoch das Verständnis von Schuldnerberater*innen unterstützen, um so Ansätze zu wählen zur Reduzierung des Risikos einer Neuverschuldung, weshalb daher auch Präventionsmaßnahmen und Aufklärung in die Beratung miteinfließen sollten.

Um dieser Anforderung besser gerecht zu werden, führte der Caritasverband für den Landkreis Emmendingen von Juni 2018 – Mai 2021 das Projekt „Schuldenprävention für geflüchtete Menschen“ durch. Die Beratungs- und Präventionsstelle wurde über einen Zeitraum von drei Jahren von der Deutschen Fernsehlotterie finanziert. Nach 18 Monaten Projektverlauf mit Workshops und Beratungen für Betroffene, zog die Projektmitarbeiterin folgendes Zwischenfazit (Pressemitteilung vom 09.11.2019 (Link 4)) „Geflüchtete Menschen geraten schnell in die Schuldenfalle: zu teure Handyverträge, Banken und Dienstleister, die ohne Rücksicht auf Vermögensverhältnisse Kredite gewähren und Sprachbarrieren sind die häufigsten Gründe für eine ungewollte Verschuldung.“

3. Schuldnerberatung mit Unterstützung von Dolmetscher*innen

Mit bzw. für Geflüchtete kann mit Hilfe der sozialen Schuldnerberatung ebenso mit Gläubigern verhandelt, einen Schuldenbereinigungsplan erstellt oder gar eine Insolvenz beantragt werden. Dies hat glücklicherweise keine unmittelbaren negativen Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus, wie der bereits erwähnte Überschuldungsradar verdeutlicht. Eine wesentliche Unterstützung bieten hierbei Dolmetscher*innen, sofern die deutsche Sprache noch nicht ausreichend gesprochen wird. Diese können Professionelle sein, oder auch Personen aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis (eigene minderjährige Kinder sollten diesbezüglich nur in absoluten Not- und Ausnahmefällen diesbezüglich fungieren).

Die Erfahrung zeigt, dass eine Entschuldung mit einer guten Zusammenarbeit zwischen Klient*innen, Dolmetscher*in und Berater*in steht und fällt. Beratungen wurden zum Beispiel abgebrochen, da der/die Dolmetscher*in nicht mehr zur Verfügung stand. Positiv wäre, wenn die Dolmetscher*innen auch während eines Insolvenzverfahrens noch zur Verfügung stehen könnte, um die zumeist komplizierten Briefe des Gerichts zu besprechen oder die Korrespondenz zur Beratungsstelle suchen können. Die Schuldnerberater*Innen müssen daher verdeutlichen, dass eine Übersetzung während des kompletten Entschuldungsprozesses unabdinglich ist.

Auch eine gute Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Integrationsmanager*innen sollte, sofern möglich, in Anspruch genommen werden. Diese können die Ratesuchenden bei Behördengängen begleiten, bei alltäglichen Fragestellungen zur Verfügung stehen oder auf oben erwähnte Dolmetscher-Pools bzw. Adressen verweisen.

Eine empfehlenswerte Arbeitshilfe für Geflüchtete in einfacher Sprache veröffentlichte der AWO Bundesverband e.V. im Februar 2019, in der auch die Möglichkeiten der Schuldnerberatung aufgezeigt werden (Link 5).

Download/Links