29. Juli 2022

Stefan Freeman, Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen

Der Arbeitskreis InkassoWatch begrüßt den Regierungsentwurf zur Zentralisierung der Inkassoaufsicht und problematisiert die widersprüchlichen RDG-Entscheidungen zur Vergütung von Inkasso-Erstbriefen.

Die Bundesregierung hat am 27.07.2022 die Zentralisierung der Inkassoaufsicht auf Bundesebene beschlossen und zielt durch dieses Gesetzesvorhabens auf eine Stärkung in den Bereichen Verbraucherschutz, Legal Tech und Geldwäscheprävention ab. Der Regierungsentwurf vom 27.07.2022 ist auf dieser Seite zu finden.

Aus der Pressemeldung der Bundesregierung:

„Die Bundesregierung hat heute (Anm. 27.07.2022 ) den von dem Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe beschlossen.“

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann wird folgendermaßen zitiert (Hervorhebungen vom Autor dieses Beitrags):

„Die Inkassoaufsicht verteilt sich gegenwärtig auf 38 verschiedene Gerichte, was oftmals zu uneinheitlichen Entscheidungen führt. Auch deshalb ist die Aufsicht bislang nicht so wirksam wie sie sein könnte. Wir wollen daher die Inkassoaufsicht auf Bundesebene zentralisieren und die bisherige Zersplitterung überwinden. Dadurch sorgen wir für eine bundesweit einheitliche Entscheidungspraxis und bündeln das erforderliche Fachwissen an einer zentralen Anlaufstelle. Von dieser Stärkung der Aufsicht profitieren insbesondere auch Verbraucherinnen und Verbraucher.

Gerade in Aufsichtsbereichen mit komplexen Fragestellungen und einer sehr dynamischen Entwicklung wird sich diese Bündelung des Know-Hows auszahlen. So kann etwa die schnell fortschreitende Entwicklung im Bereich von Legal-Tech-Angeboten effektiver begleitet werden und kritische Entwicklungen können frühzeitig erkannt werden. Auch die gestiegenen Anforderungen im Bereich der Geldwäscheprävention können im Rahmen einer zentralisierten Aufsicht wirksamer zur Geltung gebracht werden.“

Die PM führt weiter aus:

„Der Gesetzentwurf sieht die Zentralisierung der Aufsicht über Inkassodienstleister und andere nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu registrierende Personen beim Bundesamt für Justiz vor. Dadurch soll die Aufsicht in diesem Bereich gestärkt und die Herausbildung einer einheitlichen Rechtspraxis gefördert werden. Diese Aufgabe obliegt bisher 38 verschiedenen Gerichten. Darüber hinaus können beim Bundesamt für Justiz künftig auch erforderliche Spezialkenntnisse gebündelt werden.

Die Reform der Aufsicht soll auch zum Anlass genommen werden, um derzeitige Wertungswidersprüche im Bereich der Sanktionen zu beseitigen. Dies wird durch eine einheitliche bußgeldrechtliche Sanktionsregelung für jegliche Form geschäftsmäßiger unbefugter Rechtsdienstleistungen erreicht. (…)“

Dem Arbeitskreis InkassoWatch lag der Referentenentwurf zur Stellungnahme vor. Gemeinsam mit BAG-SB und VZ-NRW wurde eine Stellungnahme erarbeitet, in der auf die Dringlichkeit einer bundesweit einheitlichen, fachkundigen Inkassoaufsicht hingewiesen ist und das Gesetzesvorhaben nachdrücklich unterstützt wird (s. auch https://www.infodienst-schuldnerberatung.de/zentralisierung-inkassoaufsicht/ Beitrag vom 22.5.2022).

Der Arbeitskreis InkassoWatch (AKI) beobachtet mit großer Sorge, wie zahlreiche Inkassounternehmen (darunter auch renommierte Mitglieder des BDIU) versuchen, die schuldnerfreundlichen Intentionen des zum 01.10.2021 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2020, 3320) zu unterlaufen. Um auf mutmaßlich rechtswidrige Vergütungspraktiken bei den Inkasso-Erstbriefen aufmerksam zu machen und sie nach Möglichkeit unterbinden zu lassen, haben Mitglieder des AKI in den letzten Monaten zahlreiche RDG-Beschwerden eingelegt, was mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden war. Alleine gegen einen bayrischen Inkassodienst mussten mindestens fünf, weitgehend parallele Beschwerden erhoben werden.

Nun liegen dem Arbeitskreis InkassoWatch die ersten Entscheidungen von verschiedenen RDG-Aufsichtsgerichten vor. Die darin zutage tretenden Widersprüche unterstreichen die in der Pressemeldung angesprochene uneinheitliche Rechtspraxis und belegen, dass die Inkassoaufsicht dringend zentralisiert und professionalisiert werden muss!

Eine zentrale Inkassoaufsicht angesiedelt beim Bundesamt für Justiz, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, hätte den großen Vorteil, dass das BMJ die Fachaufsicht ausübt und damit bestimmte Dinge nicht mehr passieren würden (wie z.B. das Anzweifeln der Legitimation der Schuldnerberatung, Beschwerden einzulegen).

Beispielhaft werden nachfolgend einzelne Beschwerdeverfahren und deren Ausgang beschrieben. Es sind noch verschiedene – auch schon vor einiger Zeit eingereichte – Beschwerden unbeantwortet.

Schwerpunkt der Beschwerdeverfahren war der gesetzliche „Vergütungs-Dreiklang“ 0,5- – 0,9- (-1,3)-RVG bzw. dessen Nichteinhaltung. Auch die Nichteinhaltung der neuen oder erweiterten Informationspflichten im Inkasso-Erstschreiben oder in Schuldanerkenntnisformularen samt Ratenzahlungsvereinbarung und Lohnabtretung wurden im gleichen Zusammenhang oder gesondert bemängelt.

Kritikpunkte:

  1. Inkassodienste machen im Erstschreiben Kosten in Höhe von 0,9-RVG geltend und weisen nur „im Kleingedruckten“ darauf hin, dass bei sofortiger Zahlung lediglich 0,5-RVG geschuldet sind und die Überweisung daher entsprechend geringer ausfallen darf (Verschleierung).
  2. Es werden Zahlungsfristen aufgeführt, die deutlich unter der in den Gesetzesmaterialien genannten Mindestfrist von 14 Tagen nach Zugang der ersten Zahlungsaufforderung liegen.
  3. Die Erhöhung auf 0,9-RVG wird nicht etwa von einer weiteren Inkassomaßnahme (z.B. Inkasso-Zweitbrief oder Telefoninkasso) abhängig gemacht, sondern soll einfach nach Ablauf einer bestimmten Frist eintreten, Dabei schreibt das Gesetz eindeutig weitere Maßnahmen vor, die dann zur Anhebung der Inkassovergütung berechtigen.
    (Deshalb gilt aus AKI-Sicht: Solange noch keine weitere Inkassomaßnahme außer dem Erstbrief erfolgt ist, kann die Forderung noch immer inklusive der Erstbrief-Vergütung von 0,5-RVG beglichen werden).

Die einzelnen Beschwerdeverfahren:

Paigo GmbH
Positiv war das Ergebnis im ersten Paigo-Verfahren. Das Beschwerdegericht hat die Argumentation der Beschwerde aufgegriffen und Paigo entsprechende Hinweise gegeben, die von dort aufgegriffen und dann umgesetzt werden sollten. In einer Rückmeldung an das Gericht hat sich das Inkassounternehmen verpflichtet, folgende Formulierung im Erstanschrieben gegenüber Schuldner*innen zu verwenden:
„Achtung: Wenn Sie nicht reagieren und wir deshalb weitere Maßnahmen ergreifen müssen, werden sich die Kosten erhöhen.“
Paigo selbst schrieb in einem Beschwerdeverfahren beim OLG Hamm mit Schreiben vom 8.4.2022: „Wir möchten zunächst betonen, dass eine Erhöhung der Kosten auf eine 0,9 Gebühr in unserem Haus erst dann erfolgt, wenn nach fruchtlosem Fristablauf auftragsgemäß weitere Inkassomaßnahmen durchgeführt werden müssen… Die höhere Vergütung wird erst bei Veranlassung weiterer Maßnahmen gebucht… Damit steht die Praxis der Kostenerhöhung in unserem Haus im Einklang mit der geltenden Gesetzeslage“. Der Inkassodienstleister geht selbst davon aus, dass die geltende Gesetzeslage zu einer stufenweisen Erhöhung der Vergütung zwingt und eine automatische Erhöhung allein durch Fristablauf nicht gesetzeskonform ist.
Leider hielt sich Paigo zuletzt nicht an die eigenen Zusagen, so dass bereits eine Folgebeschwerde ausgebracht wurde.

BID Bayrischer Inkasso-Dienst GmbH
In einem Beschwerdefall zum BID erfolgte zwar vordergründig positiv eine Änderung des Erstschreibens und der Forderungsaufstellung. Die dazu übermittelten Unterlagen stellen zwar eine Verbesserung gegenüber der zunächst beanstandeten Version dar. Es bleibt jedoch dabei, dass die Vergütung in Höhe von 0,5-RVG an eine fristgerechte Zahlung gebunden ist und sich ansonsten automatisch erhöht. Alleine die Darstellung ist jetzt übersichtlicher, rechtlich aber nach wie vor nicht gesetzeskonform. Das Aufsichtsgericht hat diese Änderung leider nicht selbst bewertet sondern als Erledigung der Beschwerde betrachtet. Es wurde zwischenzeitlich eine Folgebeschwerde eingereicht.
Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang sind Schuldanerkenntnis samt Ratenzahlungsvereinbarung und Lohnabtretung, die an mehreren Stellen fehlerhaft bzw. nicht gesetzeskonform sind und von einem weiteren AKI-Mitglied in anderer Sache durch Beschwerde bemängelt wurden.

Culpa Inkasso GmbH
In einem Verfahren gegen Culpa Inkasso schrieb das Landgericht Stuttgart: „Der Inkassodienstleister Culpa Inkasso GmbH änderte auf meinen Hinweis, dass bei der ersten Geltendmachung einer unbestrittenen Forderung lediglich eine 0,5 RVG Geschäftsgebühr erhoben werden darf mit einer Zahlungsfrist von mindestens 14 Tagen, die Formulierungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Gebühren.“ Allerdings muss abgewartet werden, wie dieses Schreiben tatsächlich aussieht, da es dem Schreiben des Landgerichts Stuttgart nicht beigefügt war.

Creditreform Pforzheim
Im Sinne des Verbraucherschutzes schlecht ausgegangen ist trotz ausführlicher Gegenargumentation das Beschwerdeverfahren in Sachen Creditreform Pforzheim beim Landgericht Karlsruhe. Die Bewertung des Gerichts stützte sich ausgerechnet auf einen Praxisleitfaden der Inkassobranche (Goebel, Praxisleitfaden Inkassodienstleistung und Inkassokosten, 3. Auflage 2022). Das Gericht schrieb, dass die Kosten in Höhe einer 0,9-RVG-Gebühr vom Inkassounternehmen „pflichtgemäß“ bestimmt worden waren und dass die Vorgehensweise des Inkassounternehmens „jedenfalls vertretbar“ war, weil sie dem genannten „aktuellen Praxisleitfaden“ entsprach. Vor diesem Hintergrund sah das Aufsichtsgericht keine rechtliche Grundlage für ein Einschreiten nach §13h Rechtsdienstleistungsgesetz.

In der Summe bestätigen diese verschiedenen Beschwerden – ob (unterschiedlich) beantwortet oder nicht – die Notwendigkeit der Zentralisierung der Aufsicht. Das gleiche Vorgehen in Sachen Kosten wird unterschiedlich bewertet – im Bereich des Landgerichts Karlsruhe darf ein Inkassounternehmen bei der Praxis bleiben, die beim Landgericht Stuttgart korrigiert wird. Andernorts verbleibt es (einstweilen) bei der unzulässigen Inkassopraxis alleine deshalb, weil eine Beschwerde nicht bearbeitet wird oder zumindest die Bearbeitung sehr lange dauert.

Die geplante zentrale Inkassoaufsicht wird allerdings nur mit Glück und Anstrengung des Gesetzgebers zum 1.1.2024 eingerichtet werden, sonst 1.1.2025 – so oder so wird sich die Praxis also noch einige Zeit mit den unterschiedlichen Aufsichtsgerichten beschäftigen und die Umsetzung der neuen Regelungen kritisch betrachten müssen – einschließlich weiterer Beschwerden und Übermittelung von auffälligen Forderungsaufstellungen an den Arbeitskreis InkassoWatch – wozu der Arbeitskreis InkassoWatch ausdrücklich aufruft.