27. März 2019

Daniela Hihn – Diakonische Bezirksstelle Filder

In der Fortbildung „Beratungsmethoden in der Sozialen Schuldnerberatung“ sprach Prof. Dr. Ansen immer wieder von der Wichtigkeit der Orientierung der Beratung an der Lebenswelt des Ratsuchenden* und der Anschlussfähigkeit der Beratungsergebnisse im Alltag des Ratsuchenden. Zunächst konnte ich mit diesen Aussagen nicht viel anfangen, sie schienen mir augenscheinlich. Doch über die Fortbildungsdauer hinweg wurde mir klar, dass hierin die Grundlage für die Beratung liegt und es keineswegs in der Ausführung der Beratung immer selbstverständlich ist und gut gelingt.

So banal es zunächst klingt: Die Beratung muss sich an der Lebenswelt des Ratsuchenden orientieren, an seinen Vorstellungen, seinem sozialen Umfeld, seinem Bildungsstand, seinen sprachlichen Fähigkeiten, seiner Auffassungsgabe, seiner Veränderungsbereitschaft und seinen Entscheidungen. Übergeht der Berater dies führt die Beratung entweder zu einem Abbruch seitens des Ratsuchenden oder zu einem Ergebnis hinter dem der Ratsuchende nicht steht und das somit kaum umsetzbar für ihn sein wird.
Aus dieser für mich zentralen Erkenntnis ergeben sich folgende Überlegungen für meine Beratung:

1.) Jeder Fall ist ein eigener Mensch
Ist eine Person neu in die Beratung hat man häufig bereits vor dem Erstgespräch aufgrund der Anmeldeunterlagen ein Bild der Person. Aus den Angaben des Ratsuchenden in der Anmeldung gehen die familiäre Situation, die Einkommens- und Ausgabensituation, die Anzahl der Gläubiger und die ungefähre Schuldenhöhe hervor. Schnell hat man, insbesondere wenn man schon länger in diesem Feld berät, einen ähnlichen Fall aus der Vergangenheit mit der idealtypischen Schuldenregulierungsart im Kopf.
Doch es gibt eine beinahe unendliche Zahl an Konstellationen von individuellen Eigenschaften des Ratsuchenden, dessen Fähigkeiten und dessen Lebensumständen, so dass eine Stereotypisierung die bestmögliche Lösung verhindert. Als Berater muss ich mich für jeden neuen Ratsuchenden weitest möglich freimachen von Vereinfachung und bereit sein, die Lebenswelt des Menschen kennenzulernen, der mir gegenübersitzt.

2.) Was in der Beratung ist wirklich wichtig für den Ratsuchenden?
Das fachliche Wissen in der Schuldnerberatung ist groß und wird durch angebotene rechtliche Fortbildungen laufend erweitert. Es umfasst viele Bereiche und mehrere Gesetze und kann dazu verführen durch Ausbreitung dieses Wissens dem Ratsuchenden zunächst einmal die eigene Kompetenz als Berater zu verdeutlichen. Dies führt häufig zu einer Überforderung des Ratsuchenden, eine Wissensvermittlung findet nicht statt. Orientiert sich die Beratung an der Lebenswelt des Ratsuchenden, geht es zunächst um die Klärung seines Anliegens mit folgenden Fragestellungen: Welche Themen haben für den Ratsuchenden die größte Relevanz? Mit der Bearbeitung welchen Punktes könnte der Ratsuchende eine schnelle Entlastung erfahren, um dann wieder handlungsfähig für andere Themen zu werden? Welche Themen kann man (zunächst) vernachlässigen? Die Klärung welcher Themen kann in der Schuldnerberatung nicht geleistet werden und muss daher an andere Fachstellen delegiert werden? Auf welche Weise kann ich das für den Ratsuchenden erforderliche Wissen am Besten vermitteln?

3.) Welche Ressourcen bringt der Ratsuchende mit zur Lösung seines Problems?
Zum nachhaltigen Erfolg einer Schuldnerberatung gehört, dass der Ratsuchende wesentlich zur Lösung seines Problems beitragen kann. Das gewährleistet in der Regel eine gute Umsetzbarkeit der Beratungsergebnisse im Alltag des Ratsuchenden und eine höhere Motivation, die lange Durststrecke bis zur Lösung des Schuldenproblems durchzustehen.
Im Erstgespräch zählt der Ratsuchende oft eine ganze Palette von Problemen auf verbunden mit der Nennung eigener Fehler und Schwächen und es ist nicht einfach darin seine Stärken zu erkennen.
Um den Blick systematisch auf die Stärken zu lenken, war mir aus der Fortbildung ein Ansatz aus der Sozialen Diagnose sehr hilfreich, mit der man die Ressourcen des Gegenübers herausarbeiten kann. Dabei unterscheidet man Ressourcen, die in der Person des Ratsuchenden liegen und Ressourcen, die in seiner Umwelt liegen. Zu den Personenressourcen zählen die physischen Ressourcen (Gesundheit, körperliche Belastbarkeit), die psychischen Ressourcen (Stabilität, der Glaube an die Bewältigung des Problems, die Fähigkeit Informationen zu verarbeiten), die kulturellen Ressourcen (hier v.a. sprachliche Fähigkeiten und Bildung) und die Beziehungsressourcen (Empathie, Kommunikation, Konfliktfähigkeit).
Zu den Umweltressourcen zählen die sozialen Netze des Ratsuchenden, seine ökonomischen Ressourcen (Einkommen, Güterausstattung) und die ökologischen Ressourcen (Arbeitsplatzqualität, Wohnqualität, Zugänge zum Sozialraum) (vgl. Gittermann/Germain 2008, S. 62; zitiert nach Ansen 2018, S. 72f).

Diese Erkenntnisse aus der Fortbildung haben dazu beigetragen, dass ich das für mich in der Vergangenheit manchmal nicht nachvollziehbare Verhalten des einen oder anderen Ratsuchenden besser verstehen konnte. Dadurch lassen sich auch Beratungsfehler in der Zukunft vermeiden.

* Zur Vereinfachung und zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Text auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Quellenverzeichnis:

Ansen, Harald: Soziale Schuldnerberatung – Prävention und Intervention. Stuttgart 2018
Gitterman, Alex/Germain, Carel B.: The Life Model of Social Work Practice. New York 2008

 

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