12. Dezember 2023

Um Klarheit über die aktuelle Situation und Bedarfe in der Schuldnerberatung in Baden-Württemberg zu gewinnen, hat die Liga-BW eine Umfrage zur Struktur und Situation von Schuldnerberatungsstellen der Liga-Verbände erstellt. Die Erhebung soll künftig jährlich durchgeführt und die Berichterstattung verstetigt werden.

Die konkreten Ziele der Umfrage und des Berichtes sind:

  • Schaffung von Transparenz zur sozialen Infrastruktur im Bereich Schuldnerberatung
  • Identifikation von Maßnahmen bzw. Lösungsvorschlägen zur Verbesserung der Situation sozialer Schuldnerberatung auf sozialpolitischer Ebene, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen
  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Überschuldung und für die Arbeit der Beratungsstellen

Der Bericht kann hier heruntergeladen werden.

Im Umfragezeitraum im 1. Quartal 2023 haben 56 Schuldnerberatungsstellen der Liga-BW die Umfrage vollständig ausgefüllt. Dies entspricht einer Beteiligung von 64 Prozent. Alle Angaben beziehen sich auf das Berichtsjahr 2022.

  • Bei 93 Prozent der teilnehmenden Schuldnerberatungsstellen handelt es sich um anerkannte Stellen gemäß § 305 InsO.
  • Nach Angaben der teilnehmenden 56 Schuldnerberatungsstellen wurden im Berichtsjahr 2022 insgesamt 13.893 Klient*innen beraten. Es erfolgte keine Unterscheidung zwischen Kurz- und Langzeitberatung.
  • Im Jahr 2022 waren insgesamt 198 hauptamtliche Mitarbeitende bei den teilnehmenden Schuldnerberatungsstellen beschäftigt.
  • Reaktionszeit bei Krisenintervention und existenzsichernden Maßnahmen beträgt bei 91 Prozent der Stellen maximal 1 Woche.
  • Es gibt keine einheitliche Finanzierungsgrundlage der sozialen Schuldnerberatungsstellen der Liga-BW.

Die Befragung hat einen einen Einblick in die aktuellsten Problemstellungen gegebenen. Folgende Kernthemen wurden benannt, die die Aufgabenstellungen in der Praxis der sozialen Schuldnerberatung gut zusammenfassen:

  • Existenzsicherungsberatung und Pfändungsschutzmaßnahmen nehmen einen großen Raum ein – aufgrund gestiegener Energie- und Lebenshaltungskosten sowie damit verbundener, zunehmender existenzieller Krisen der Ratsuchenden.
  • Es suchen vermehrt erwerbstätige Menschen aus dem prekären Niedriglohnsektor und Bürger*innen mit mittleren Einkommen, deren Ersparnisse aufgebraucht sind, die soziale Schuldnerberatung auf. Bestimmte Zielgruppen können jedoch aufgrund mangelnder Refinanzierung zum Teil keine Beratung in Anspruch nehmen (bspw. auch Personen ohne Sozialleistungsbezug oder mit gescheiterter Selbständigkeit, Immobilienbesitzer:innen).
  • Steigende Anfragen von jungen Menschen und Rentner*innen.
  • Eine gelingende und nachhaltige soziale Schuldnerberatung hat den Anspruch, ganzheitliche Unterstützung im Hinblick auf die Stärkung der wirtschaftlichen Existenz der Betroffenen zu leisten. Dabei werden individuelle Faktoren wie Familie, Gesundheit, Ausgrenzung und berufliche Herausforderungen berücksichtigt, was nicht refinanziert ist.
  • Komplexere Fallkonstellationen erfordern den weiteren Auf- und Ausbau von Kooperationsnetzwerken mit Fachdiensten, um bei spezifischem Hilfebedarf über die Schuldnerberatung hinaus eine gelingende Weitervermittlung in ein ergänzendes Hilfsangebot zu gewährleisten.
  • Wartelisten verlängern sich und Wartezeiten nehmen zu.
  • Die Gewinnung bzw. Sicherung qualifizierter Fachkräfte ist eine zentrale Zukunftsaufgabe in der Schuldnerberatung.
  • Onlineberatung als ergänzender, niedrigschwelliger Zugangsweg braucht Kapazität und Ressourcen.
  • Präventionsangebote werden immer wichtiger, gleichzeitig mangelt es oftmals an Kapazitäten vor Ort.
  • Kostensteigerungen bei Trägern selbst (Energie-/ Sach-/ Personalkosten), die nicht refinanziert sind. Es besteht die Gefahr, dass Schuldnerberatung an einzelnen Orten auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann.


Forderungen für eine wirksame, nachhaltige und zukunftsfähige soziale Schuldnerberatung in Baden-Württemberg:

  • Aufhebung der künstlichen Trennung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung, Sicherstellung der kostendeckenden Finanzierung
  • Gewährleistung eines gesetzlichen Rechtsanspruchs auf kostenfreie Schuldnerberatung für alle Bürger:innen und alle Zielgruppen
  • Zusätzliche Mittel des Landes zur Stärkung der Schuldnerberatung und Förderung einer armutspräventiven Infrastruktur
  • Kommunale Finanzierung der sozialen Schuldnerberatung
  • Umsetzung einer vom Land unterstützten Qualifizierungsoffensive
  • Einrichtung einer Landesfachberatungsstelle für die Schuldnerberatung in Baden-Württemberg