23. November 2016

Der Infodienst Schuldnerberatung wurde in diesem Jahre 25 Jahre alt. Wie schon zum 10. Jubiläum luden deshalb die Herausgeberverbände und die Diakonie zu einem Fachtag am 21. September 2016 ins Diakonische Werk Württemberg ein.

Insgesamt ca. 80 Kolleginnen und Kollgen folgten der Einladung nach Stuttgart und wurden u.a. mit drei fachlich sehr interessanten Vorträgen belohnt.

Den theologischen Impuls hielt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes Württemberg. Sein Resümme lautet: „Kirche und Diakonie, Wort und Tat, Herz und Hand – sie gehören zusammen. Gottes- und Nächstenliebe sind im christlichen Glauben untrennbar verknüpft.
So wie wir predigen, dass Gott die Menschen ohne Vorleistung annimmt und ihnen ihre Schuld vergibt, so wollen wir dafür Sorge tragen, dass Menschen aufgerichtet werden.
Wir bieten den Menschen den Zuspruch der Vergebung ihrer Schuld an, und mit der Schuldnerberatung leistet die Diakonie einen Beitrag, dass Menschen von Schulden nicht erdrückt werden.
Schuldnerberatung ist ein wichtiger Baustein in unseren Angeboten für benachteiligte Menschen. Schuldnerberatung kann in der Tat verwirklichen, was Auftrag der Kirche ist: Menschen aufrichten.“

Prof. Dr. Hans Ebli von der Hochschule Ludwigshafen hielt danach einen Vortrag „25 Jahre Fachlichkeit in der Schuldnerberatung„, der sich kritisch mit den Ansprüchen, den Bedingungen und der Praxis der gegenwärtigen Schuldnerberatung auseinandersetzt.
Sein Resüme lautet: „Erkennbar ist ein Spannungsfeld zwischen fachlichen Ansprüchen … und den Bedingungen beruflicher Praxis, die Fachlichkeit in der beruflichen Praxis nicht wie gewünscht ermöglichen, behindern oder gar verhindern.“
Er sieht deshalb dringenden Klärungs- und Handlungsbedarf hinsichtlich der Bedingungen von Schuldnerberatung und hinsichtlich der Fachlichkeit von Schuldnerberatung und fordert eine einheitliche gesetzliche Finanzierungsgrundlage, verlässliche Pauschalfinanzierungen mit geringem Verwaltungsaufwand und die Sicherstellung des kostenfreien und zeitnahen Zugangs für alle Hilfsbedürftigen ein.

Aber auch die Akteure der Schuldnerberatung selbst seien „dringend“ aufgefordert, ihre Fachlichkeit zu klären : „Ist Schuldnerberatung ein Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit oder ein intradisziplinäres Arbeitsfeld? Ist Schuldnerberatung „soziale Schuldnerberatung“ oder „moderne Schuldnerberatung“? Will Schuldnerberatung sich hinsichtlich juristischer Kompetenzen begrenzen oder will sie diese Kompetenzen weiter zur zentralen fachlichen Orientierung entwickeln? Will Schuldnerberatung parteiisch an der Seite der Ratsuchenden stehen oder im Sinne einer spezifischen Mediation „neutral“ zwischen der Schuldnerseite und der Gläubigerseite vermitteln? “

Zum Abschluss des fachlichen Teils  sprach Dr. Christoph Mattes, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, zum Thema „Alles nur Schulden? Perspektiven der Schuldnerberatung als Soziale Arbeit.
Dr. Mattes verwies zwar ausdrücklich auf die vielen Erfolge der Schuldnerberatung in den letzten 25 Jahren wie z.B. einen verbesserten Pfändungsschutz, Basiskonto, Insolvenzordnung oder die gesellschaftliche Akzeptanz und Integration des Problems der privaten Verschuldung. Diese Erfolge seien jedoch „im Wesentlichen juristischer und technokratischer Natur“ und würden einen „Schatten“ werfen über das, was Schuldnerberatung eigentlich sein will und soll: Ein Hilfeangebot der Sozialen Arbeit, Beratung und Orientierung, ein Ort des Dialogs und der individuellen Suche nach Lösungen, ein Prozess der Klärung als Grundlage einer gelingendne Alltagsgestaltung.“
Im Folgenden erläuterte er seine Thesen dann anhand konkreter Arbeits- und Handlungsfelder innerhalb Schuldnerberatung und drückte abschliessend seine Hoffnung aus, „zukünftig wieder mehr über innerfamiliäre Bewältigung von Verschuldung, von Befähigung verschuldeter Menschen zu Eigenverantwortung und zu einem gelingenden Alltag, zu systemsicher Schuldnerberatung, Lebensweltorientierung und Ganzheitlichkeit in der Schuldnerberatung zu hören.“