31. Dezember 2022

Stefan Freeman, Kreisdiakonieverband Esslingen und Senior-Prof. Dr. Dieter Zimmermann, EH Darmstadt

Zum 01.01.2023 tritt die Prozesskostenhilfebekanntmachung 2023 in Kraft. Die PKHB 2023 ist im BGBl. 2022, S. 2843 veröffentlicht und enthält nun zum dritten Mal vier Betragsspalten:

Die erste Spalte weist die neuen „Freibeträge Bund“ für das Jahr 2023 aus. Diese basieren seit 2021 auf den um 10 Prozent erhöhten Regelsätzen nach der Anlage zu § 28 SGB XII und sind fast bundesweit gültig.
§ 115 Abs. 1 Satz 5 ZPO-2021 normiert allerdings, dass „soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, … diese heranzuziehen“ sind. Die drei folgenden Spalten der PKHB 2023 schreiben demzufolge höhere Freibeträge exklusiv für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Starnberg, für den Landkreis München und für die Landeshauptstadt München fest.

Aufgrund der deutlich gestiegenen Bürgergeld-Regelsätze ergibt sich für 2023 auch eine deutliche Steigerung der bundesweit gültigen Freibeträge. Zum Vergleich sind in nachstehender Übersicht zusätzlich zu den bisherigen Freibeträgen „Bund 2022“ und den neuen Freibeträgen „Bund 2023“ die höchsten regional gültigen Freibeträge 2023 für die beiden Landkreise Fürstenfeldbruck und Starnberg (FFB/StB) vermerkt.

Einkommensfreibetrag für Rechtsuchende
(110% der Regelbedarfsstufe 1 – vgl. Rechenschritt 2.5.1)
„Bund 2022“ 494€ „Bund 2023“ 551€ FFB/StB 2023 582€

Freibetrag, falls Rechtsuchender erwerbstätig ist
(50% der Regelbedarfsstufe 1 – vgl. Rechenschritt 2.5.2)
„Bund 2022“ 225€  „Bund 2023“ 251€ FFB/StB 2023 265€

Unterhaltsfreibetrag für Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene/n Lebenspartnerin/Lebenspartner
(110% der Regelbedarfsstufe 1 – vgl. Rechenschritt 2.5.3)
„Bund 2022“ 494€  „Bund 2023“ 552€ FFB/StB 2023 582€

Unterhaltsfreibetrag für Erwachsene im Haushalt
(110% der Regelbedarfsstufe 3 – vgl. Rechenschritt 2.5.4)
„Bund 2022“ 396€ „Bund 2023“ 442€ FFB/StB 2023 466€

Unterhaltsfreibetrag für Jugendliche von Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (14 bis 17 Jahre)
(110% der Regelbedarfsstufe 4 – vgl. Rechenschritt 2.5.5)
„Bund 2022“ 414€ „Bund 2023“ 462€ FFB/StB 2023 484€

Unterhaltsfreibetrag für Kinder von Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (6 bis 13 Jahre)
(110% der Regelbedarfsstufe 5 – vgl. Rechenschritt 2.5.6)
„Bund 2022“ 342€ „Bund 2023“ 383€ FFB/StB 2023 397€

Unterhaltsfreibetrag für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (bis 5 Jahre)
(110% der Regelbedarfsstufe 6 – vgl. Rechenschritt 2.5.7)
„Bund 2022“ 314€ „Bund 2023“ 350€ FFB/StB 2023 365€

Praxisrelevanz der neuen Einkommensgrenzen

1. Maßgeblich sind die Freibeträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe Gültigkeit haben (§ 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Die neuen Einkommensgrenzen gelten daher für sämtliche Bewilligungen von Prozesskosten-/Verfahrenskostenhilfe sowie Beratungshilfe nach dem Jahreswechsel 2022/23; ob eine Antragstellung bereits 2022 erfolgt ist, spielt keine Rolle.

2. Einen Anspruch auf Beratungshilfe haben diejenigen Ratsuchenden, denen Prozesskostenhilfe ohne Eigenanteil zu bewilligen wäre.
Ergibt die Einkommensberechnung ein „einzusetzendes Einkommen“ von 20 Euro oder mehr, scheidet Beratungshilfe aus („Alles-oder-Nichts-Prinzip“).

3. In der Mehrzahl der Verbraucherinsolvenzverfahren reicht die vom Insolvenzverwalter/Treuhänder einzuziehende Insolvenzmasse nicht aus, um auch nur die gestundeten Verfahrenskosten auszugleichen.
In diesen Fällen hat das Insolvenzgericht anschließend an die Erteilung der Restschuldbefreiung nach PKH-Grundsätzen und anhand obiger PKH-Freibeträge über die Verlängerung der Stundung ohne Eigenanteil bzw. über eventuell zu zahlende Monatsraten zu entscheiden (vgl. § 4b InsO).

4. Errechnet sich nach Abzug der Freibeträge, der Kosten der Unterkunft und der besonderen Belastungen (siehe nachstehend abgedruckten Rechenbogen) ein „einzusetzendes Einkommen“ von 20 Euro oder mehr, so ist die Hälfte davon als künftige PKH-Monatsrate (für maximal 48 Monate) festzulegen. Ab 600 Euro „einzusetzendes Einkommen“ ist der überschießende Betrag zu 100% abzuführen.

Laufende PKH-Monatsraten auf Anpassungsmöglichkeit hin überprüfen

Bei Ratsuchenden, die laufend Raten aus PKH-Bewilligungen aufzubringen haben, sollte überprüft werden, ob ein Anpassungsantrag Erfolg verspricht. Dazu normiert § 120a Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO:
„Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Eine Änderung der nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist.“

Bei unveränderten Einkommens- und Lebensverhältnissen ist ein Anpassungsantrag demnach nur aussichtsreich, wenn sich aufgrund der neuen Freibeträge eine Reduzierung der PKH-Monatsrate „auf null“ ergibt.
Haben sich – daneben – auch die maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert (z.B. weitere Unterhaltspflicht; höhere Mietbelastung; notwendige Kreditrate; Zahnersatz-/Kurkosten als besondere Belastungen), ist ein Anpassungsantrag zielführend, wenn sich laut der einschlägigen PKH-Tabelle ein geringerer Ratenbetrag ergibt!
Eine Reduzierung der Raten ist rückwirkend zulässig, und zwar bereits ab Eintritt der geänderten Verhältnisse. Auf einen Antrag kann nicht abgestellt werden, da ein solcher überhaupt nicht erforderlich ist (vgl. Prütting/Gehrlein/Zempel, ZPO, 13. Aufl., § 120a Rz. 17; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 120a Rz. 25, 26).

 

Downloads

Link

Die (Stand 31.12.2022 kostenlose) Excel-Tabelle von Andreas Kleingünther PKH-fix berechnet auf der Grundlage der regelmäßigen Einkünfte und Ausgaben des Antragstellers die PKH-Raten bzw. ermittelt einen Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe. Die maßgeblichen Regelsätze und Freibeträge werden berücksichtigt, auch für den Partner und bis zu vier Unterhaltsberechtigte.