18. Juli 2016

Birgit Knaus, Evangelischer Diakonieverband im Landkreis Böblingen

Machen Schulden die Menschen krank oder verursachen  Krankheiten Schulden? Das ist wie bei der Henne und dem Ei, niemand kann sagen, was war zuerst da, aber dass sie zusammengehören, weiß jeder.

Es gibt Krankheiten, die durch schwierige finanzielle Situationen ausgelöst oder verstärkt werden können, wie beispielsweise Depressionen. Und es gibt Krankheiten, die in allen finanziellen Verhältnissen auftreten, die aber zu einer Verarmung und Verschuldung führen können, wie beispielsweise Schizophrenie, weil sie häufig in der Pubertät beginnen und eine Berufsausbildung und einen Einstieg ins Berufsleben erschweren.

Beim 3. Berliner Fachtag kamen Politiker, Mediziner und Schuldnerberater zusammen, um die Zusammenhänge zwischen Schulden und Krankheit zu erörtern und nach Lösungen oder zumindest Lösungsansätzen zu suchen. Einig waren sich alle darüber, dass es enge Zusammenhänge zwischen Schulden und Krankheit gibt. In den Schuldnerberatungsstellen treten die Probleme häufig in der Form auf, dass Brillen oder Zahnarztbehandlungen nicht bezahlt werden können, dass das Einkommen durch Krankheiten deutlich sinkt, dass hohe Rückstände bei Privatversicherten und freiwillig gesetzlich Versicherten bestehen, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung zu hoch sind im Verhältnis zum Einkommen und dass durch die Krankheit Zusatzkosten entstehen, die von den Kassen nicht übernommen werden. Einig waren sich alle auch darüber, dass eine Lösung der Schuldensituation häufig den Gesundheitszustand der Klienten verbessert. Gerade bei den zunehmenden psychischen Erkrankungen spielt die soziale Schuldnerberatung eine erhebliche Rolle.

Bei den Lösungen und den Lösungsmöglichkeiten wird es schwieriger. Hier wurde heftig diskutiert. Höhere Erwerbsunfähigkeitsrenten oder die Wiederaufnahme von Leistungen durch die Krankenkassen (Bsp. Brille) – politisch eher schwierig. Die Einführung einer Bürgerversicherung- umstritten. Die soziale Schuldnerberatung als Lösungsbringer – gern gesehen, dafür aber nicht ausreichend finanziert und viel zu wenige Stellen. Die Beratung von Kranken erfordert in der Schuldnerberatung viel Zeit; oft ist eine Begleitung über einen  längeren Zeitraum nötig, die Existenzsicherung nimmt einen großen Raum in der Beratung ein und auch Fragen wie – was kann der Klient selbst lösen, wo braucht er Hilfe, was macht für ihn Sinn, wie kann ein chronisch Kranker ein lebenswertes Leben führen – sollten in der Beratung geklärt werden. Die Situationen von längerfristig Erkrankten sind oft sehr komplex, einfache Lösungen sind selten.
Die meisten Schuldnerberatungsstellen sind aber nach Fallzahlen finanziert, haben lange Wartezeiten. „Erfolg“ wird in der Schuldnerberatung oft daran gemessen, wie viele Insolvenzen oder Vergleiche zustande gekommen sind. Die fachlichen Ansprüche sind hoch, die psychische Belastung auch, die Bezahlung nicht.
Die Berater haben  zu viel Arbeit und zu wenig Zeit um den Ansprüchen gerecht zu werden, die eine „soziale Schuldnerberatung“ erfüllen sollte.  Wunsch und Wirklichkeit – manchmal weit auseinander.

Doch die Diskussionsrunden zeigten auch, wie wichtig es ist, diese Probleme über den eigenen Tellerrand hinaus mit anderen Berufsgruppen zu diskutieren. Um die Probleme besser in die Politik einzubringen, braucht es Daten, Fakten, Forschungsarbeiten und Öffentlichkeitsarbeit, um das Verständnis in der Bevölkerung – beim Wähler- zu wecken. Die Krankenkassen werden nur dann mehr Geld in die Hand nehmen, wenn sie auch einen Vorteil für sich erkennen. Zwischen Medizinern und Schuldnerberatern braucht es mehr Austausch, um zu wissen, was der jeweils andere für den Klienten/Patienten realistisch erreichen kann. Daraus können sich Kooperationen ergeben, die beiden Seiten nützen. Denn eines war nach diesem Fachtag klar: So vielfältig die Probleme sind – so vielfältig müssen auch die Lösungen sein. Denn:

FINANZIELLE SICHERHEIT SCHAFFT GESUNDheit schafft finanzielle Sicherheit!